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Baumschlager Eberle Architekten

2226 Lingenau

Keine Heizung, keine Kühlung - ein Konzept setzt sich durch
Ellensohn
Ellensohn
Ort
Lingenau
Gebäudekategorie
Pflegestätten, Reha- und Kureinrichtungen
Bauvorhaben
Neubau
Jahr der Fertigstellung
2019
Material Fassade
Holz
Die Ziele
Ein Therapiezentrum mit Wohnungen in Lingenau war die Planungsaufgabe. In seltener Einmütigkeit lief die Troika aus Auftraggeber, Gemeindeverwaltung und Architekten in eine gemeinsame Richtung. Es galt den richtigen Akzent im Ort zu schaffen und ein Gebäude zu entwerfen, das die regionale Bautradition und ihr Zukunftspotential reflektiert. Das Besondere daran: Der kompakte Solitär gliedert sich in die Reihe unserer Bauten ein, die ohne herkömmliche Technik für Heizung, Kühlung und Lüftung auskommen. Das Vorhaben im Bregenzer Wald (Vorarlberg, Österreich) war anspruchsvoll, das Resultat erfreut sich bereits der Akzeptanz durch die Nutzer.

Die Umsetzung
Achtsamkeit und Sorgfalt kennzeichnen die Passung des Gebäudes auf dem Grundstück. Aus dem Hang kommend, wird das Haus orthogonal zu den Schichtlinien gesetzt. Auf diese Weise entsteht eine Plastizität des Baukörpers, die im Dialog mit dem Vorplatz und einer seitlich angedockten Terrasse den konkreten Ort prägt. Der vorgesetzte Filter aus Bäumen nuanciert zudem den Außenraum, der nicht nur mit einer in die Tiefe wirkenden Freifläche gliedert wird, sondern auch durch die Terrasse mit dem Terrain in Einklang steht. Die sehr urbane Anmutung de Anlage erfährt eine klare Botschaft durch die Fassade: Hier steht ein Bregenzerwälder Haus. Schindeln als ein Material, das Solidität vermittelt und der schützende „Wurf“ - das ausschwingende Gesims über den Fensterläden - setzen klare Bezüge zur Bautradition der Gegend. Es geht hier jedoch nicht um Retro-Design, sondern um das Fortsetzen einer kulturellen Werteskala im Umgang mit dem Bauen: Präzision, Beständigkeit und das Erkennen des Notwendigen.

Die Innovation
Das Besondere im Entwurf erschließt sich beim genaueren Hinsehen. Der „Wurf“ gliedert die Fassade, begleitet die Öffnungen des Hauses, wo es notwendig ist, sodass seine asymmetrische Ordnung eine dezente horizontale Dynamik generiert, die sich im Inneren des Gebäudes fortsetzt. Die beiden Etagen mit dem Therapiezentrum verfügen über Erschließungsbereiche, die sich dehnen und zusammenziehen. Dieses Pulsieren kann man metaphorisch für den Verwendungszweck der Geschosse betrachten. Auf jeden Fall gewinnen die offenen Bereiche ungemein an Aufenthaltsqualität für wartende Patienten, die von hier aus auch ins Freie schauen können.
Es sind besondere Fenster, die den Blick nach außen ermöglichen: eingesetzt in 80 Zentimeter starke Ziegelwände werden sie von schmalen Lüftungsflügeln begleitet, sodass aus der hohen Speicherkapazität der Wände, der gebotenen Raumhöhe und den softwaregesteuerten Ventilierungselementen ein Raumklima generiert wird, das bei guter Luftqualität Wohlfühltemperaturen zwischen 22 und 26 Grad Celsius bei guter Luftqualität über das Jahr hinweg ermöglicht.

Mit den Möglichkeiten der Architektur, der Materialien und dem wissenschaftlichen Know-How ist in Lingenau ein Gebäude entstanden, dessen Innovationsfähigkeit und Beständigkeit den Altvorderen im Bregenzer Wald sicherlich auch gefallen hätte.

Planungsbeginn: 2016
Fertigstellung: 2019
Nutzfläche: 1.934 m²

Auftraggeber: Arbeitskreis für Vorsorge- und Arbeitsmedizin
Projektleitung: Arch. Jürgen Stoppel
Fotos: Jens Ellensohn