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HARRIS + KURRLE ARCHITEKTEN

Stadtbibliothek Rottenburg am Neckar

Roland Halbe
Roland Halbe
Ort
Rottenburg am Neckar
Gebäudekategorie
Bibliotheken, Archive
Bauvorhaben
Neubau
Jahr der Fertigstellung
2017
Material Fassade
Naturstein
Architektenpreis
2019 DAM Preis Finalist Otto-Borst-Preis Ziegelpreis für monolithische Bauweise 2019 Hugo Häring Auszeichnung 2020 2020 Staatspreis Baukultur Baden-Württemberg
Aufgabe
Im Zentrum der Stadt, an der Schnittstelle zwischen mittelalterlicher Altstadt und bischöflichem Palais, entschied sich die Stadt Rottenburg eine neue Stadtbibliothek zu errichten. Hier sollten verschiedene Stadtteilbibliotheken zusammengeführt und darüber hinaus an prominenter Stelle ein Treffpunkt für die Bürger der Stadt realisiert werden.

Städtebau + Konzept
Entstanden ist ein kommunizierender Baustein im städtischen Gefüge. Mit diesem Grundgedanken ist der Entwurf für die neue Stadtbibliothek konzeptionell angelegt. Kommunikation wird auf dieser stadträumlichen Ebene so verstanden, dass Themen der Umgebung aufgenommen, interpretiert und neu wiedergegeben werden. So kann etwas Neues entstehen, dessen „genetischer Code“ aus der Umgebung gespeist wird. Der Baukörper für die Stadtbibliothek wurde in Anlehnung an die geknickte Bauform des Nachbargebäudes entwickelt. Es entsteht ein räumlicher Dialog. Der dabei definierte Zwischenraum wird als öffentliche Durchwegung freigegeben, wodurch ein weiteres Thema des mittelalterlichen Stadtgrundrisses – es gibt hier immer viele Wege, um ans Ziel zu kommen - aufgenommen wird. Das Grundstück liegt an der Schnittstelle ganz unterschiedlicher Maßstäblichkeiten. Die verschiedenen Traufhöhen des Neubaus – bedingt durch das gerade Satteldach auf der geknickten Gebäudeform – können zwischen dem imposanten bischöflichen Palais und den niedrigeren Gebäuden in der Königstraße vermitteln. Auch im Detail werden Themen der Umgebung aufgenommen. So orientieren sich die Oberflächen von Fassade und Dach – Putz und Kupfer - an den in der Altstadt vorhandenen Materialien. Der Glasanteil der Fassade bleibt maßvoll, geschlossene Flächen überwiegen. Die Lochfassade zeigt sich mit einem einheitlichen Fensterformat, die Fenster werden jedoch unregelmäßig über die Außenwand verteilt und verleihen dem Haus dadurch ein ganz eigenes Gesicht.

Innere Organisation
Ein Gebäuderücksprung im Erdgeschoss weist auf den Eingang hin. Das Eingangsgeschoss steht ganz im Zeichen der Kommunikation und zeichnet sich durch seine maximale Offenheit aus. An einer großzügigen Theke kann man sich informieren, Medien zurückgeben und ausleihen. Im direkt anschließenden Cáfe liegen Zeitungen und Zeitschriften aus, in die man sich bei einem Getränk vertiefen kann. Im Sommer kann man das auch außen im Straßencáfe tun, welches dann über zwei große Schiebetüren den Innenraum erweitert. In den Abendstunden wird das Cáfe für ganz unterschiedliche Veranstaltungen genutzt. Mittels Glastüren kann der Eingangsbereich zugeschaltet und als Großraum genutzt oder abgetrennt werden und bei Bedarf mittels Vorhängen einen intimen Charakter erhalten. Die warmen, hellen Materialien (Weißbeton, Terrazzo, Putz, weiß lackiertes Holz) korrespondieren mit dem hellen Naturstein des Stadtbodens der Rottenburger Innenstadt. Ein offenes Haus für die Bürger der Stadt – so ist das Selbstverständnis, das durch diese Räumlichkeit vermittelt wird. Die Obergeschosse stehen den Bürgern zum Lesen, Lernen und in den Medienbereichen für Kinder und Jugendliche auch zum Spielen zur Verfügung. Eine Besonderheit stellt die Gestaltung der umfassenden Wände dar. Ganz im Sinne einer Bibliothek sind diese weitgehend mit Regalen belegt. Die Bücher und anderen Medien in den Regalen gestalten also im Grunde die Oberflächen der Räume oder anders gesprochen: es entstehen Bücherräume. Unterbrochen werden diese durch große Fenster mit tiefen Leibungen, die zum Sitzen und Lesen geeignet sind. Die Leser in den Fenstern werden von außen sichtbar und transportieren so die Funktion des Hauses in den öffentlichen Raum. Von innen bietet jedes der Lesefenster einen eigenen, gerahmten Blick in die Stadt, die dadurch ein integraler Bestandteil der neuen Stadtbibliothek wird.

Konstruktion und Klimakonzept
Gebaut ist das Haus als massive Ziegelkonstruktion mit Stahlbetondecken, sowie aussteifenden Stahlbetonwänden. Die Wärmedämmung erfolgt über die Füllung der Hohlziegel mit Mineralwolle. Der Schwerpunkt des Klimakonzeptes liegt in passiven Maßnahmen: maßvoller Glasanteil, Sonnenschutzverglasung, Sichtbetondecken als natürliche Speichermassen. Die Belüftung des Cafés und der Medienräume erfolgt über eine Lüftungsanlage mit optimierter Wärmerückgewinnung und adiabater Kühlung.