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HELGA BLOCKSDORF/ARCHITEKTUR

Wohn- und Atelierhaus Rosé, Berlin

®Simon Menges
®Simon Menges
Ort
Berlin-Rosenthal
Gebäudekategorie
Einfamilien-, Reihen-, Wochenendhäuser
Bauvorhaben
Sanierung
Jahr der Fertigstellung
2019
Material Fassade
Mauerwerk
DER GEDANKLICHE RAUM  „Zutage tritt darin die Sehnsucht, die harte Polarität von Alt und Neu zu relativieren und jene radikale Freiheit zu erproben, die es erlaubt, nicht nur das Neue zu erfinden, sondern auch das Alte weiterzubauen.“ (aus „ Grenzübergänge. Weiterbauen am Denkmal“ Thomas Will, in Werk, Bauen und Wohnen, 09/2003, S. 53)

Die Remise befindet sich im denkmalgeschützten Ensemble Nr. 09050513. Zu bewahren sind der Anger mit dem vorhandenen Baumbestand, die Dorfkirche als Einzeldenkmal, der Kirchhof, die Gehöfte und Wohnhäuser, die Vorgärten mit ihren Einfriedungen, sowie die rückwärtigen Hofanlagen.

Zwei Gedanken im gewählten Umgang mit dem der zu schützenden Substanz, wohnen dem Gebäude inne und versetzen es in ein Spannungsfeld. Zum einen die Beobachtung, dass das Gebäude lange Zeit ohne Bewohner und vor allem ohne Architekt auskam. Das Erbauerjahr ist unbekannt (Vorderhaus der Hofanlage ca. 1830-1850). Die Definition der Remise benennt den Grund: Die Remise (remettre, franz. wiederhinstellen, versorgen) ist ein Wirtschaftsgebäude, das in der Regel an der rückwärtigen Grundstücksgrenze für Fahrzeuge oder Geräte errichtet wurde.

Die Umwandlung in ein Wohn- und Atelierhaus (270m2 BGF) stellt konstruktiv, bauphysikalisch und typologisch einen erheblichen Kraftakt für das Gemäuer und seine Bewohner dar. Wer zieht freiwillig in ein fast ausschließlich nach Norden gerichtetes Nebengelass? Für einen Künstler, der sich ohnehin Kraft seines Schaffens in eine für ihn als natürlich empfundene Distanz zum Leben und zur Gesellschaft stellt, erscheint dies stimmig. Aus diesem Grund ist der alte Teil des Haues, die Remise, mehr Atelier als gemeinsames Wohnen.

Zum anderen verleiht der neu errichtete Kopfbau dem Gesamtbaukörper eine Präsenz, welche das Gebäude bewusst über die alte Identität der profanen Nebenanlage hinaushebt. Gegründet ist er auf einer fast quadratischen Bodenplatte, die ein Gebäude mit den Außenmaßen von 8,83 x 8,81m trägt. Der Kopfbau stellt mit der Empore, die genau mittig auf der Spiegelachse liegt, eine dem Quadrat typische Gesetzmäßigkeit heraus. Erlebbar wird dies vom Essplatz aus, im Auf- und Abgehen der Treppe, von oben und in der doppelten Raumhöhe am Kamin. Die Trennung von Kamin und Empore führt zu einer räumlichen Schichtung, die innerhalb des relativ kleinen Raumes divergierende Durchblicke erlaubt. Diese Tiefenschichtung der Wohnsituation im Hauptwohnraum transformiert den offenen Ernraum alter Bauernhäuser in Rosenthal-Nord und sucht damit die Balance zwischen Profanität und Repräsentation. Bautypologisch laden sich die aufgereihten Räume der Remise in alltäglicher Korrespondenz mit dem sich groß öffnenden Gemeinschaftsraum im Neubau auf. Erst durch den Neubau gelingt die Transformation in ein zeitgenössisches Wohn- und Atelierhaus.

Der neu errichtete Kopfbau, monolithisch aus hochdämmenden Ziegel gebaut, wird nahtlos angesetzt, eingedeckt und überputzt. Gezielt verschleift sich das Alte mit dem Neuen. Dabei wird die baukonstruktive Detailierung wie der sehr hohe Spritzwassersockel, eine aus der ostdeutschen Überformung des einst sichtbaren Ziegelmauerwerkes resulitierende Zeitschicht weitergeführt. Das Vexierbild des Sichtmauerwerkes an der Nahtstelle zum Neubau berichtet von diesen zwei Zeitlichkeiten der alten Struktur.

Team
Samuel Barckhausen, Magdalena Hermann, Laura Neumann, Tobias Schrammek, Ellen Staib

Bauleitung
Shivani Shankar Chakraborty, Architektin MSc ETH

Statiker
Jan Schwochow, Potsdam

Größe
290m2