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Neubau Hospitalhof Stuttgart

Ein Gebäude ist immer nur Teil eines Ganzen: Teil der Landschaft, Teil der Stadt, in der es steht. Und so begreifen wir die Aufgabe, die uns zugefallen ist, nicht als eine, die sich allein auf das Gebäude bezieht, das es zu bauen gilt, sondern als einen Beitrag zur Stadt und der näheren Umgebung, in der es steht. Das Bild der Stadt ist immer ein Zustandsbericht über die kulturelle, soziale und ökonomische Verfassung ihrer Bürger. Bauen ist deshalb eine Gemeinschaftsaufgabe.

Ein altes Sprichwort sagt, Kirche, Rathaus und Schule gehören zu den besonderen Bauten, die für die Stadt prägend sind. Ihnen hat man also zugesprochen, sich dem Duktus und der Ordnung der „normalen“ Häuser der Bürgerstadt nicht unterordnen zu müssen. Unsere Vorstellungen von dem Begriff und der Qualität der europäischen Stadt bestätigen das erwähnte Bild. In der Tat erwarten wir von den Bildungseinrichtungen, also den Kulturbauten, ebenso wie denen der politischen und legislativen Gewalt und vorneweg den sakralen Gebäuden, ihr besonderer Status möge im Netz der Wohn-und Geschäftshäuser einen sichtbaren Ausdruck finden.

Der Blick auf alte Pläne europäischer Stadtgrundrisse bestätigt diese Regel. Selbst diejenigen, die im Lesen dieser Darstellungen nicht kundig sind, können mit einem Blick erfassen, wo sich die wichtigen öffentlichen Einrichtungen befinden. Zu den immer wieder gern angeführten Beispielen dieser Art gehört der sogenannte „Nolli-Plan“. Damit ist der Stadtplan von Rom gemeint, den …. Nolli, seines Zeichens Vermesser, von der Stadt aufs Papier gebracht hat. Was diesen Plan beispielhaft macht ist, die Art der Darstellung: während die anonymen Bürgerhäuser als eine gemeinsam schraffierte Fläche lediglich in den Umrissen sichtbar sind, zeichnet Nolli die besonderen Bauten der Stadt mit den dazugehörigen Grundrissen. So erkennt man sehr schön die Zusammenhänge im öffentlichen Raum, dem diese Gebäude zugeordnet sind und mit dem sie in Dialog treten. Nehme man dem Plan diese Häuser, so würde ein anonym schraffiertes Netz eines ungeordneten Gebäudekonglomerats übrig bleiben. Umgekehrt führte die Aufgabe der anonymen Struktur der Wohnhäuser zugunsten individueller Architekturen zu einem chaotischen Durcheinander.

Noch drastischer würde die Sache ausfallen, wenn wir die Kirchen oder Klöster der mitteleuropäischen Städte aus deren Grundriss herausschneiden würden. Denn beide, die anonymen, wie die besonderen Bauten stehen dort in einem sinnhaften Zusammenhang. Das Bild der Stadt und ihre selbstverständliche Ordnung wären zerstört.

Wir führen die Betrachtung über die Stadt und ihre Häuser deshalb so ausführlich an, weil das der Ausgangspunkt für die Überlegung war, die den Entwurf in erster Linie bestimmen sollte. Wir befinden uns mit dem Bauvorhaben nicht nur in einem Viertel, dessen Gestalt durch einen genauen Plan auf die weitere Zukunft hin gesichert war, sondern auch in der neuen (Vor) Stadt, die ihre Verfasser, nach dem Vorbild des Turiner Stadtgrundrisses angelegt haben. Unschwer ist auch heute noch das rechtwinklige Raster erkennbar, mit dem sich das Hospitalviertel von der schiefwinkeligen Struktur der Altsstadt unterschied. Das „Hospital“ selbst, also das ehemalige Dominikanerkloster mitsamt seiner Kirche, sticht dabei nicht nur durch seine Größe aus dem Plan heraus. Es ist, wie in vielen vergleichbaren Situationen die Ostung der Kirche, die den besonderen Straßenraum an dieser Stelle kennzeichnet.

Fotos: Arno Lederer