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Muck Petzet Architekten

Atriumhäuser Studentenstadt

Serielle Modernisierung von Serienbauten
© Muck Petzet Architekten
© Muck Petzet Architekten
Ort
München
Gebäudekategorie
Wohnheime
Bauvorhaben
Umbau
Jahr der Fertigstellung
2019
Material Fassade
Mauerwerk
Das Projekt 'beispielhafte Modernisierung der ‚Atriumhäuser' war als Experiment angelegt: es sollte untersucht werden inwieweit eine Modernisierung der bestehenden Anlage aus den 60er Jahren qualitativ und vor allem auch wirtschaftlich sinnvoll ist. Dafür sollten mit dem Projekt – aus Gründen der Vergleichbarkeit – generell die Standards aus dem Neubau vergleichbarer Studentenwohnheime erreicht werden.

Eine Machbarkeitsstudie in der die räumliche Erweiterung und auch eine Aufstockung der Gebäude untersucht wurden kam zum Ergebnis, dass solche bauliche Erweiterungsmaßnahmen zu überproportional hohen Kosten führen würden. Im Zuge der Studie wurde auch die Erweiterungsfähigkeit der Gesamtanlage der Studentenstadt untersucht und dabei festgestellt, dass die Erweiterung – und auch die Erstellung barrierefreier Einheiten – erheblich effektiver durch Neubauten an anderer Stelle erreichbar wären. Im vorliegenden Projekt konzentrierten wir uns daher darauf, Erweiterungen durch organisatorische Binnenmaßnahmen zu erzielen – und generell einen neuen Standard zu erreichen.

Die Hausgruppe 6 ist Teil der Studentenwohnanlage Studentenstadt Freimann mit insgesamt 2.478 Wohnplätzen. Die Anlage wurde in den 1950er Jahren vor dem Hintergrund rasant ansteigender Einwohnerzahlen in München und der damit verbundenen Wohnungsnot, insbesondere unter Studenten, konzipiert und in vier Bauabschnitten von 1961 bis 1977 realisiert. Die betreffende Hausgruppe gehört zum Ensemble der Atriumhäuser, welche im Rahmen des 1. Bauabschnitts von 1961 bis 1963 erbaut wurden. Sie gehört somit zur sogenannten „Altstadt“ der Studentenstadt Freimann. Die Atriumhäuser wurden vom einem wichtigen Vertreter der 'Münchner Moderne', Ernst Maria Lang entworfen. Sie weisen hohe räumliche und architektonische Qualitäten auf. Man kann bei den Bauten unbedingt von ‚besonders erhaltenswerter Bausubstanz' sprechen. Es besteht jedoch kein Denkmalschutz für die Gebäude.

Die Atriumhäuser sind durch Ihre Lage in einer parkähnlichen Landschaft – unmittelbar am Rande des Englischen Gartens gekennzeichnet. Sie sind über geschwungene Fußwege erreichbar. Die Gebäudegruppen der Atriumhäuser bestehen grundsätzlich aus zwei unterschiedlichen – aneinander gereihten 2-geschossigen Gebäudetypen: Haustyp a ist teilunterkellert und enthält jeweils die technischen Anschlussräume für eine Hausgruppe. Haus a hat ein kleineres Atrium und einzelne größere Wohnungen. Die Häuser b/c/d sind praktisch baugleich. Die Hausgruppe 6 besteht aus drei Häusern: Typen a/b/c. Es handelt sich um systematisierte, d.h. weitgehend baugleiche – aber 'klassische' Massivbauten mit Mauerwerkswänden und STB-Decken. Die Häuser weisen (in vereinfachter Anlehnung an vergleichbare Bauten von Mies van der Rohe) eher geschlossene und öffentliche Funktionen enthaltende – verklinkerte Giebelseiten auf und stark horizontal gebänderte Längsseiten mit den Studentenzimmern. Die Fenster sind als Fensterbänder mit normaler Brüstungshöhe zusammengefasst. Die Häuser haben jeweils einen oberen Abschluss durch eine sichtbare STB-'Deckel' Platte. Weitere sichtbare STB-Bauteile sind die Balkone an den Giebelseiten im 1. OG und massive Eingangsstufen im EG.

Nachdem zunächst die Reduktion der Kosten durch die Vermeidung von Maßnahmen und Infragestellung von Standards untersucht worden war – (Erhalt der Fenster, Erhalt der gemeinsamen Sanitärbereiche etc.) – erfolgte die klare Festlegung, dass Neubaustandards anzustreben sind. Daher wurde letztlich die gesamte Haustechnik und die gesamte Gebäudehülle erneuert und auch das Innere völlig umstrukturiert.

Die vorhandene Architektur wird durch die Modernisierung erhalten aber uminterpretiert: Die architektonische Schichtung wird nicht mehr durch den Wechsel verschiedener Materialien – sondern durch den gestalterischen Wechsel in der Verlegerichtung des neuen Fassadenmaterials einer Eternit-Welle erreicht. Die gesamte Gebäudehülle wurde mit einer hochwertigen, hinterlüfteten Fassade gedämmt, die Fenster erneuert – und dabei in der Proportion verändert (besserer Außenbezug von innen). Das Dach wurde erneuert und gedämmt, die bisherigen eingeschnittenen Atrien wurden mit neuen Dachaufbauten geschlossen – und bilden jetzt die neue gemeinschaftlich genutzte Mitte der Häuser. In diesen neuen, lichten und 3-geschossigen Räumen sind die Küchen und Gemeinschaftsräume untergebracht. In den bisherigen Küchen und Sanitärzonen konnten zusätzliche Zimmer realisiert werden. Alle Zimmer haben jetzt eigene, neue Bäder. Dennoch ist – trotz der weitgehenden Entkernung und radikalen Umstrukturierung noch einiges beim alten: das Gangsystem und das hochwertig gestaltete Treppenhaus sind original erhalten – ebenso die meisten der Zimmertüren. Die modernisierten Häuser haben ihre Identität bewahrt – und dennoch die Qualitäten vergleichbarer Neubauten.

Die Häuser sind technisch auf dem neuesten Stand und weisen durch die Überdachung der Atrien eine hohe Kompaktheit auf. Durch die simple Entfernung von auskragenden Bauteilen (wie den Balkonen) wurde eine weitgehend wärmebrückenfreie Konstruktion erreicht, die geringe Verbrauchswerte erwarten lässt.

Obwohl die Realisierung mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden war (die extreme Baukonjunktur – und eine Firmenpleite im laufenden Baubetrieb) – und die Baumaßnahme auf Grund der geringen Größe eine systembedingte Unwirtschaftlichkeit aufweist – konnten die Ziele erreicht werden. Die Häuser wurden zu einem Preis von ca. 70% vergleichbarer Neubaumaßnahmen realisiert. Die Qualität – insbesondere der großzügigen Gemeinschaftsflächen – ist dabei höher. Es sind zukunftsfähige Häuser entstanden, in denen die DNA Ihrer Entstehung noch spürbar ist – und die dennoch neue Formen der Gemeinschaft der Teilhabe und der Privatheit ermöglichen.


Planung / Realisierung
2015 Machtbarkeitsstudie
2016-2019 Planung und Realisierung

Bauherr
Studentenwerk München

Größe
2.295m2 BGF, 6.795 m3 BRI, 74 Zimmer