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REINER MARIA LÖNEKE ARCHITEKTEN

Kindertagesstätte Uhlenhorst, Hamburg Neubau 2013

Städtebauliches Familienquartier


Der zweigeschossige Neubau  für zwei Krippen- und Elementargruppen für insgesamt 122 Kinder wurde neben einem Altenpflegeheim platziert. Aus der städtebaulichen Auflage, auf seinem großen Areal einen Kindergarten zu errichten, entstand bei den Betreibern die Idee, ein Familienquartier zu schaffen. Bereits in der Entwurfsphase wurde daher zusammen über mögliche Freiflächen gesprochen auf denen sich Kinder, Eltern und alte Menschen begegnen können. Ebenso wie es wichtig ist, dass ältere Menschen in die Gesellschaft integriert werden, war es ein städtebauliches Anliegen, gleichsam den Kindern eine Wertschätzung entgegenzubringen und das fruchtbare Potenzial einer Begegnung von Alt und Jung zu akzentuieren.

Gesellschaft und Kinder


Die Außengestaltung der Kita hebt sich durch den schlichten geometrischen Klinkerbau bewusst von dem verputzten neoklassizistischen Gebäude des Altenpflegeheims ab. Farbige Fensterfelder akzentuieren spielerisch die dunkle Klinkerfassade, setzen einen deutlichen Kontrast und unterstreichen die unterschiedliche Typologie der beiden Häuser. Als Klinkerbausteine wurde ein außergewöhnliches sehr flaches und langes Format gewählt, um dem Bau durch die zahlreichen hellen Fugen eine Eleganz zu verleihen. Gleichzeitig soll das aufwändige Material auch die Wertschätzung der Nutzer des Gebäudes repräsentieren. Indem sich die kantige Starrheit des Baus stark in seinem Umfeld behauptet, wird das Anliegen des Büros unterstützt, den Aufmerksamkeitsfokus der Gesellschaft auf die Kinder zu lenken.
Das Konzept eines Familienquartiers findet bei den Nutzern beider Gebäude Anklang. Während die Bewohner des Altenheims den Kindern vorlesen oder mit ihnen spazieren gehen, basteln die Jüngeren Geschenke oder präsentieren Darbietungen.

Freiräume für Kreativität

Ebenso wie der Außenbau eher schlicht und funktional gehalten ist, setzt sich das Konzept im Inneren fort. So sind die Raumwände im Wesentlichen weiß , damit die Kinder nicht durch Sinneseindrücke und Projektionen abgelenkt werden. Die Architektur soll nichts vorgeben, sondern Freiräume für Kreativität schaffen. Nur einzelne Flächen der Räume wurden farblich akzentuiert, um dem Raum eine Identität zu geben und von anderen zu unterscheiden.

Bereits im Eingangsbereich wird mit ausgesuchter Hochwandkamelle für den Bodenbereich und der zum Flur hin teilweise kompletten Verglasung für eine weite, helle und freundliche Atmosphäre gesorgt. Es ist der Ort von Willkommen und Abschied, der für die Kinder schöne Momente der Begegnung bieten soll. In den Garderoben können die Kinder selbst mit Aufstieghilfen Fahrradhelme, Mäntel und Mützen ablegen.

Lernen durch Ausprobieren

Oft denken Erwachsene, es sei kindgerecht, etwas von der realen Welt auf Kindergröße zu verkleinern, was unserer Meinung nach ein Irrtum ist. So zeigen neurobiologische Untersuchungen, dass der Anreiz, die reale Welt zu erobern, deutlich mehr neuronale Vernetzungen im Gehirn bildet als beispielsweise das Spiel mit einem Mobile oder Puppenhaus.
Der Neurobiologe Gerald Hüther weist darauf hin, dass Kinder am meisten durch Ausprobieren lernen. Die Eigenaktivität und die dadurch gefördert Selbstbilddung ist dabei zentral. Es ist daher unser Ansatz, möglichst viele Angebote und Freiräume zu schaffen, damit das Kind seine eigene Kreativität spielerisch entdecken kann.

Kreativität und Ruhepol


Entstanden sind dabei Lernlandschaften, in denen Kreativität ausgelebt werden kann und es gleichzeitig auch Rückzugmöglichkeiten gibt.
Auf Spiel- und Krabbelpodesten können Kinder auf verschiedenen Ebenen den Raum und sich selbst wahrnehmen und entdecken. Die Podeste weisen aber auch Nischen auf um zu schlafen oder sich mit sich selber zu beschäftigen. Solche Ruheinseln sind wichtig für Kinder, um Erlebnisse zu verarbeiten und sich auch aus eigenen Stücken zurückziehen zu können, wenn sie das Bedürfnis dazu haben.

Forscherlabor

Ein Forscherbecken aus Corian, in dem auf Augenhöhe der Kinder runde Gucklöcher aus Glas eingelassen sind, ermöglicht Experimente mit Wasser. Die begehbare Dachterrasse dient als Forscherlabor, wo Kinder Windgeschwindigkeit und Niederschlag messen. In selbstangelegten Beeten können sie Pflanzen züchten und anschaulich kennenlernen.


Körperwahrnehmung und Wertschätzung


Eine mobile Trennwand kann zwei Gruppenräume je nach Bedarf zusammenzuschalten oder separieren. Ein schlichter Raum mit Podest und Vorhang dient zum Theaterspielen.  Weiter gibt es zwei Bewegungsräume mit Matten und der Möglichkeit Seile einzuhängen, die je nach Bedarf unterschiedlich genutzt werden.
Alle Räume sind mit Fußbodenheizung ausgestattet. Die Kinder können somit auch barfuss laufen, was die Körperwahrnehmung und die Beziehung zum eigenen Körper stärkt. Dimmbare Beleuchtung schafft je nach Anlass eine unterschiedliche Stimmung. In den Fluren gibt es für die Kinder auf Augenhöhe gehängte beleuchtete Präsentationsregale. Sie sollen die Arbeit der Kinder wertschätzen und auch zu einer gegenseitigen Würdigung beitragen.

Bewegung im Freien

Neurobiologische Untersuchungen zeigen, wie wichtig es ist, dass man gerade in den ersten Jahren viel über Bewegung und im Kontakt zum eigenen Körper lernt und so auch
ein Selbstverständnis für sich und die Umwelt entwickelt.
Neben der Bewegung in den Innenräumen gibt es ein großzügiges Außenareal mit Naturstein, geschälten Laubbäumen, einer Feuerstelle, Erdhügeln, Kletterbäumen, Buddelkisten und einer  Matschecke. Die Kinder können sich leibbezogen in der Natur ausprobieren und von ihr lernen.

Umweltbewusstsein

Um den Kindern einen bewussten Umgang mit der Natur nahe zu bringen, wurde im gesamten Bau die Verwendung von Kunststoff vermieden und Naturmaterialien verwendet. Die Böden sind vorwiegend aus Holz, manchmal aus Linoleum, die Fensterbänke aus Stein oder Holz, Fenster aus Stahl oder Holz und sämtliche Möbel aus Brettschichtholz. Die Verwendung von Naturmaterialien soll bei den Kindern auch eine Querverschaltung zu dem, was sie in der Natur finden, herstellen. Man kann einem Kind schwer klarmachen, dass es in den Wald keine Plastikflasche werfen soll, wenn es überall von Plastik umgeben ist. So lassen sich bereits in der Kita Themen wie Ressourcen und Umwelt besprechen und durch den Vorbildcharakter der Räume eine Glaubhaftigkeit erzeugen.

Positive Resonanz


Die Kindertagesstätte Uhlenhorst hat bereits ein positives mediales Echo bekommen. So wurde der Besuch des Kindergartens durch eine schwedischen Delegation in einer Dokumentation auf Arte gezeigt. Unser Konzept wurde damit von einem der bildungspolitisch in Europa führenden Länder gewürdigt.