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Bauernhof 2.0 - Ländliches Bauen

Mehrfamilienwohnhaus in Neumarkt/Woffenbach
© Antje Hanebeck
© Antje Hanebeck
Ort
Neumarkt Woffenbach
Gebäudekategorie
Geschosswohnungsbau
Bauvorhaben
Neubau
Jahr der Fertigstellung
2017
Material Fassade
Holz
Bauernhof 2.0 - Ländliches Bauen
Mehrfamilienwohnhaus in Neumarkt/Woffenbach

Wie definiert man „regionale Bautradition“ und was ist deren Typus?
An Stelle eines historischen Bauernhauses, das nicht sanierungsfähig war, entstand ein Neubau, der regionale Bezüge zu den im Dorf Woffenbach bei Neumarkt vorherrschenden historischen Bauernhöfen herstellt. Diese wurden im Sockelgeschoß mit meist verputztem Natursteinmauerwerk, im darüber liegenden Geschoß in verbretterter Fachwerk-Holzbauweise erstellt.
Der Entwurf reagiert in moderner Interpretation darauf, indem im Sockelgeschoß statt Natursteinmauerwerk Dämmbeton für die Außenwände eingesetzt wurde, in den darüber liegenden Geschoßen ingenieurstechnischer vorgefertigter Holzbau, der mit vorvergrauter Horizontallattung in unterschiedlichen Dimensionen beplankt wurde.
Der Entwurf ist ein Beispiel dafür, wie sich ein modernes Mehrfamilien-Wohnhaus stilistisch in ein vorhandenes bauliches Gefüge einer Dorfkernstruktur einfügt und kann daher Anregungen zum Thema ländliches Bauen geben.
Entwurfsbeschreibung
Der Neubau entstand anstelle eines abgebrochenen Bauernhauses mit Stadel als ein schlichtes zweigeschossiges Eckgebäude in L-Form und nimmt die historische Kubatur des Vorgängerbaues unter Berücksichtigung der baurechtlichen Auflagen vollständig auf. Durch die Anordnung des Baukörpers zu den anliegenden Straßen hin wird eine großzügige Schaffung von Garten- und Freiflächen ermöglicht, diese können abgeschieden vom Straßenverkehr von den Bewohnern genutzt werden und bilden intime, in die Natur eingebundene Aufenthaltsmöglichkeiten im Freien.
Die Grundstücksform ergibt eine ungewöhnliche Gebäudeform, die aus verschiedenen Blickwinkeln unterschiedlich wahrnehmbar ist. Der südliche Giebel zitiert nachbarschaftliche Gebäude, insbesondere wird die Giebelform der Kirche betont. Die Satteldachfrom nimmt die üblichen dörflichen Dachformen auf.
Die Verwendung von natürlichen und ökologischen Baustoffen war ein wesentlicher Aspekt bei der Erstellung des Materialkonzeptes. Dies führte zur Entscheidung, im EG Dämmbeton einzusetzen und auf den Einsatz von zusätzlichen Dämmmaterialien zu verzichten. Ein Hochleistungsdämmputz innenseitig ermöglicht es, die Kennwerte für die KFW-Förderung zu erreichen.
Der Einsatz von natürlichen Baustoffen setzt sich im inneren der Wohnungen fort, alle Böden in Wohnräumen wurden beispielsweise als Eiche-Naturholzböden ausgeführt. Der Innenausbau nimmt durch Großdielen in rustikaler Ausführung Bezug auf historische Bodenbeläge. Die frühere
„gute Stube“, in der das Familienleben hauptsächlich stattfand, wird durch die Zusammenlegung der Räume von Küche, Essen und Wohnen in den Wohneinheiten in einem Großraum neu interpretiert. Das offene Wohnkonzept schließt den Garten nahtlos mit ein.
Abschliessend ist festzustellen, daß trotz vielfacher Anlehnung an ländliche Bauprinzipien ein moderner Bau mit zeitgemäßen Nutzungsmöglichkeiten entstanden ist. Bauen in der Tradition eines historischen Baustils heißt nicht, sich anzubiedern, sondern sich in Maßstäblichkeit und Proportionen einzufügen.
Dies lässt sich am besten durch die Bemerkung eines benachbarten alten Bauern aus der Nachbarschaft belegen, der das Gebäude nach Fertigstellung besichtigte:
„Das schaut so aus, als stünde das Haus schon immer da!“