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Carlos Zwick Architekten

Hinang Haus

Tomek Kwiatosz
Tomek Kwiatosz
Ort
Hinang
Gebäudekategorie
Einfamilien-, Reihen-, Wochenendhäuser
Bauvorhaben
Neubau
Jahr der Fertigstellung
2012
Material Fassade
Metall
Architektenpreis
33. Wettbewerb „Das Goldene Haus” (2015)
Wer auf einer Wiese über einem unterirdischen Eiszeitsee ein Haus plant, hat entweder starke Nerven oder weiß einfach nichts davon.
So ist es dem Berliner Architekten Carlos Zwick ergangen, als er in seiner Allgäuer Heimat ein Ferienhaus für seine 8- köpfige Familie bauen wollte.
Als bei den Bauarbeiten im Jahr 2011 der Boden unter dem Bagger ins Schwanken kam war schnell klar, dass hier etwas nicht stimmte.
Ein Geologenteam brachte Gewissheit: Unter dem geplanten Haus befindet sich ein 18 Meter tiefer Eiszeitsee, 15 Meter lang und von der Konsistenz flüssiger Steinschlemme. Eine echte Herausforderung, die dem Architekten einiges Kopfzerbrechen und einen Baustopp bescherte. Heute steht das Haus in Holztafelbauweise, gut geerdet, auf 24 duktilen Gusspfählen.

Dass er hier, in seiner alten Heimat, ein Haus dieser Größe bauen würde, war so nicht geplant. Angedacht war zunächst ein Projekt mit Freunden, die das damals hier stehende Haus aus den Vierzigerjahren umbauen und bewohnen wollten. Zwick gefiel die Idee, daneben eine Art Ferienhütte zu errichten, als einfache Unterkunft während der Ski – und Sommerurlaube.
Die Freunde sprangen ab, das Konzept veränderte sich. Heute steht inmitten grüner Kleewiesen ein modernes, städtisch anmutendes Architektenhaus, das sich durch die herbstlichen Farben des sich ständig wandelnden Cortenstahl auf wundersame Weise in die Natur einbettet.

In seiner formalen Gestalt ist das Haus eine liebevolle Antwort auf die nahegelegenen Stadel, die so wirken als hätte sie jemand willkürlich in die satten Allgäuer Wiesen gewürfelt. „Ich mag diese Hütten sehr, sie sind ein Stück Heimat für mich und der wollte ich in meinem Entwurf einen Platz geben“, so der Architekt.

Das Haus nimmt die hügelige Bewegung seiner Umgebung auf. Im massiven unteren Teil des Baukörpers, mit seiner Naturstein- Fassade aus dem heimischen Grünten- Steinbruch, befinden sich die Gästewohnung, der Skikeller und die Garage. Hier nutzt Zwick die Wohnküche, die mit großer Fensterfront und Holzterrasse gen Süden ausgerichtet ist, gerne auch als Musikzimmer, in das er sich oft mit seinen Brüdern und einer Flasche Wein zurückzieht. „Wir spielen lauter altes Zeug und das ordentlich laut! Hier draußen stört es niemanden- das ist super “, so Zwick. Im oberen Teil des Hauses, der über das untere Geschoss hinauskragt und rundum mit Cortenstahl verkleidet ist, macht es sich derweil die Familie gemütlich.
An der acht Meter langen Küchenzeile wird gekocht, an langer Tafel gegessen und im Winter prasselt der beidseitig verglaste Kamin. Durch ihn trennen sich Wohnen und Essen und gleichzeitig verbinden sie sich.
„ Wenn dann noch die Sonne den ganzen Tag über ins Haus scheint, ist es schon ordentlich warm. Ansonsten heizen wir über eine Luftwärmepumpe. Die entzieht der Umgebungsluft die Wärme “, erklärt der Hausherr das Konzept des Niedrigenergiehauses.

Durch die verglaste Fensterfront, die sich über die gesamte Südseite zieht, verbindet sich das Haus mit der Natur. Davor liegt die ebenso lange Holzterrasse. „Der weite Blick von hier auf die Allgäuer Alpen ist einmalig, immer wieder und immer wieder anders. Unvorstellbar schön und manchmal fast unwirklich, wie ein Gemälde“, schwärmt der gebürtige Allgäuer. Das ist auch das Erste, was die Hausbewohner sehen, wenn sie morgens aufwachen. Denn alle Schlafzimmer, die vier im oberen und die beiden im unteren Teil des Hauses, öffnen sich der Weite des Wiesen- und Bergpanoramas.

Aus dem großzügigen Küchen – und Wohnbereich der Familie kommt man direkt in einen geräumigen Flur, in dem sich der offizielle Haupteingang befindet und auch die Treppe, die ins Untergeschoss führt. Hier ist die Schlafstätte der beiden großen Familienhunde, Schröder und Tilda, die im Urlaub natürlich nicht fehlen dürfen. Von hieraus geht es auch ins Gästezimmer und in die Gästetoilette.

Ein langer Flur führt in den Privatbereich des Hauses. Hier befinden sich zwei Kinderzimmern mit gleichem Grundriss und jeweils einer Schlafgalerie mit Dachfenster und exklusivem Blick in den Allgäuer Nachthimmel. Gegenüber sind das Kinderbad und ein kleines Arbeitszimmer, das im trubeligen Urlaubsalltag der Familie gerne mal als Rückzugsort zum Erledigen von Schul- und Studienaufgaben genutzt wird. Und schließlich mündet der Flur in das Elternschlafzimmer, in dem Bad- und Schlafbereich offen ineinander übergehen. Hier liegen, wie im ganzen Haus, robuste, geölte Eichendielen. Sie verkleiden auch die freistehende Badewanne, die sich hinter einer Trennwand mit Waschbecken und Spiegel befindet. Geduscht wird hier in einem separaten Bereich, gleich daneben ein weiterer mit Toilette und Bidet.

Aus allen schwarz- weiß gefliesten Badezimmern, der Gästetoilette und der Küche auf der Nordseite des Hauses, hat man durch lange Fensterbänder freien Blick aufs Dorf „und auf die kleine Hütte des Imkers, der seine Bienenvölker hier oberhalb des Hauses hält. Sehr zur Freude unseres jüngsten Sohnes, der Honig über alles liebt“, erzählt der Architekt.

Von außen gelangt man über einen schmalen Holzsteg auf der Nordseite, dem so genannte Sommereingang der Familie, ins Haus. Im Winter bevorzugen alle den Eingang im unteren Teil. „Wenn man nach dem Skifahren das ganze nasse Zeug gleich aus dem Auto in den beheizten Keller bringen kann, ist das super praktisch. Es geht doch nichts über warme und trockene Skischuhe am nächsten Morgen“, freut sich Zwick.

Nachts ist es himmlisch ruhig. Im Sommer, bei weit geöffneter Terrassentür, schläft es sich hier fast wie unter freiem Himmel. Dann hört man nur das Gebimmel der Kuhglocken, manchmal weiden sie direkt am Haus, manchmal etwas weiter oben in den Bergen.

Der Weg vom 92 -Seelendorf Hinang hinauf ins Haus ist notdürftig asphaltiert und im tiefsten Winter bei viel Schnee auch schon mal eine echte Herausforderung, zumal der Winterdienst den kleinen etwa 300 Meter langen Weg ab und an auch gerne mal vergisst. Dann bleibt den Zwicks nicht viel anderes übrig, als die Schaufel selber in die Hand zu nehmen.

Erholung pur für die ganze Familie, Sommer wie Winter. Skifahren steht hier genauso auf dem Programm wie Wandern und natürlich Radeln. Denn gerade letzteres ermöglicht es, modernen E-Bikes sei Dank, nun auch ungeübten Großstädtern bis ins letzte Zipfelchen der Bergwelt zu kommen.

Text: Claudia Kensy