cheret bozic architekten
Stuttgarter Holzbrücke

Foto: Wilfried Dechau
Die im November 2018 von Ministerpräsident Winfried Kretschmann ausgerufene »Holzbau-Offensive Baden-Württemberg« hat die Zielsetzung, das Land als »Holzbauland« weiter zu entwickeln, da es »mit seinen Wäldern und dem dort nachwachsenden, nachhaltig bewirtschafteten Rohstoff Holz als Waldland ideale Bedingungen« dafür bietet.
Die Voraussetzungen hierfür sind gegeben: fast 40% der Fläche Baden-Württembergs ist bewaldet. Jährlich werden ca. 8,3 Millionen Festmeter Holz geerntet, was etwa 20 % des gesamten Aufkommens in Deutschland entspricht.
Während im Hochbau der Anteil an Holzbaukonstruktionen stetig wächst, zeigt sich im Brückenbau leider eine stark gegenläufige Entwicklung. Gegenwärtig sind von den insgesamt über 9000 Brücken im Land nur noch 62 mit Holz als tragendem Baustoff ausgeführt (Stand 2012). Dieser Umstand ist den Bedenken gegenüber der Dauerhaftigkeit von Holzbrücken geschuldet. Zahlreiche Schadensfälle infolge mangelhaft konstruierter Bauwerke dienen leider allzu sehr als Beleg für diesen Generalverdacht.
Die Entwicklung des neuen »Holzbrückentypus«
Im Jahr 2013 wurde das vom Cluster Holz BW geförderte Forschungs- und Entwicklungsprojekt »Stuttgarter Holzbrücke« gestartet. Die beteiligten Akteure waren Knippers Helbig Ingenieure, Cheret Bozic Architekten, die MPA der Universität Stuttgart und die Firma Schaffitzel Holzindustrie.
Basierend auf einer Analyse der häufigsten Schadensursachen an bestehenden Holzbrücken wurden mögliche Konstruktionsansätze hinsichtlich der technischen Machbarkeit untersucht. Die aus verschiedenen Ansätzen resultierenden Herstellkosten wurden ebenfalls eingehend betrachtet.
Das Forschungsprojekt konnte 2015 in Form einer Machbarkeitsstudie für einen konkreten Brückenstandort im Remstal abgeschlossen werden und wurde 2017 mit dem Deutschen Holzbaupreis ausgezeichnet.
Die »Stuttgarter Holzbrücke«
Das Entwerfen, Forschen und Entwickeln im Bereich Brückenbau hat eine lange Tradition in Stuttgart. Allen voran haben die Stuttgarter Ingenieure Fritz Leonhardt und Jörg Schlaich durch ihr innovatives Wirken Brückenbaugeschichte geschrieben.
Mit der Benennung »Stuttgarter Holzbrücke« verbinden wir unsere Wertschätzung für deren Werk, verweisen ebenso auf das Selbstverständnis des Ingenieurs als Innovator und Gestalter wie auch auf die lange und beispielhafte Stuttgarter Tradition der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Ingenieuren, Architekten, Partnern aus der Wissenschaft und aus der Industrie.
Realisierungen im Remstal
Der Bedarf an Fuß- und Radwegbrücken im Zuge der interkommunalen Remstal Gartenschau 2019 war der Anlass, die Ergebnisse aus der Machbarkeitsstudie in die Marktreife zu überführen. Mit der Eröffnung der Remstalgartenschau am 10. Mai 2019 konnten insgesamt drei realisierte Brücken vom Typ »Stuttgarter Holzbrücke« der öffentlichen Nutzung übergeben werden – zwei davon in Weinstadt und eine weitere in Urbach.
Konstruktionsprinzip und technische Beschreibung
Erstmals in der Geschichte des Holzbaus konnten nicht zuletzt auch dank der Förderung durch Mittel aus dem Europäischen Fond für regionale Entwicklung (EFRE) eine integrale Massivholzbrücke realisiert werden. Integrale Brücke sind monolithisch und haben keine Lager und Fugen, die bei konventionellen Brücken wartungsintensiv und häufig nicht dauerhaft sind.
Bei dem eigens entwickelten festen Anschluss zwischen Holzüberbau und Stahlbetonfundament sorgen eingeleimte Gewindestangen für den kraftschlüssigen, »quasimonolithischen« Stoß. Im Gegensatz zu herkömmlichen Holzbrücken liegt das Tragwerk nicht horizontal auf einem Lager auf, sondern ist über die stirnseitigen Kontaktstöße zwischen Holz und Stahlbeton eingespannt. Die so ausgebildete Rahmenkonstruktion ist auf Pfahlgründungen im Dammbereich aufgesetzt.
Als Gehbelag kamen großformatige, sieben Zentimeter dünne Platten aus Textilbeton zum Einsatz – wie der gesamte Brückentyp ebenfalls erstmals in dieser Anwendung. Diese neuartige Materialentwicklung setzt Karbonfaserbewehrung anstelle des korrosionsanfälligen Stahls in Verbindung mit einem sehr feinkörnigen Beton ein. Da die notwendige Deckschichtdicke reduziert werden kann, ist die notwendige Betondicke und damit der Einsatz des energieintensiven Zements reduziert. Die hochbeständige textile Bewehrung garantiert eine lange Lebensdauer bei geringem Wartungsaufwand.
Der Gehbelag ist auf querliegenden Stahlprofilen aufgelagert und montiert. Der aus dieser Anordnung sich ergebende Zwischenraum dient der allseitigen natürlichen Belüftung des blockverleimten Brettschichtholzträgers.
Der konstruktive Holzschutz ist über mehrere Maßnahmen gesichert, zunächst durch die Belagsplatten. Sie wirken analog einer historischen Brücke als »Dach« mit seitlichem Überstand, sodass eine freie Bewitterung des tragenden Holzes ausgeschlossen werden kann. Die Belagsfugen sind dauerhaft abgedichtet. Der blockverleimte Träger ist oberseitig mittels einer diffusionsoffenen Folie abgedichtet. An relevanten Stellen sind im Holzkorpus Sensoren eingebaut, die das Monitoring des Feuchtegehalts ermöglichen.
Die Geländer bestehen aus Pfosten aus robustem Flachstahl, bespannt mit einem Seilnetz aus Edelstahl sowie Handläufen aus Rundhölzern.
Die »Stuttgarter Holzbrücke« ist ein neuartiger Typus einer integralen, blockverleimten Brettschichtholzbrücke. Sie ermöglicht nicht nur eine nachhaltige und die Möglichkeiten des modernen Holzbaus nutzende neue technische Lösung sondern eröffnet dem Holzbrückenbau auch die Entwicklung einer eigenständigen modernen Gestaltsprache.
Stuttgart, 26. Mai 2019
Thorsten Helbig, Prof. Peter Cheret
Die Voraussetzungen hierfür sind gegeben: fast 40% der Fläche Baden-Württembergs ist bewaldet. Jährlich werden ca. 8,3 Millionen Festmeter Holz geerntet, was etwa 20 % des gesamten Aufkommens in Deutschland entspricht.
Während im Hochbau der Anteil an Holzbaukonstruktionen stetig wächst, zeigt sich im Brückenbau leider eine stark gegenläufige Entwicklung. Gegenwärtig sind von den insgesamt über 9000 Brücken im Land nur noch 62 mit Holz als tragendem Baustoff ausgeführt (Stand 2012). Dieser Umstand ist den Bedenken gegenüber der Dauerhaftigkeit von Holzbrücken geschuldet. Zahlreiche Schadensfälle infolge mangelhaft konstruierter Bauwerke dienen leider allzu sehr als Beleg für diesen Generalverdacht.
Die Entwicklung des neuen »Holzbrückentypus«
Im Jahr 2013 wurde das vom Cluster Holz BW geförderte Forschungs- und Entwicklungsprojekt »Stuttgarter Holzbrücke« gestartet. Die beteiligten Akteure waren Knippers Helbig Ingenieure, Cheret Bozic Architekten, die MPA der Universität Stuttgart und die Firma Schaffitzel Holzindustrie.
Basierend auf einer Analyse der häufigsten Schadensursachen an bestehenden Holzbrücken wurden mögliche Konstruktionsansätze hinsichtlich der technischen Machbarkeit untersucht. Die aus verschiedenen Ansätzen resultierenden Herstellkosten wurden ebenfalls eingehend betrachtet.
Das Forschungsprojekt konnte 2015 in Form einer Machbarkeitsstudie für einen konkreten Brückenstandort im Remstal abgeschlossen werden und wurde 2017 mit dem Deutschen Holzbaupreis ausgezeichnet.
Die »Stuttgarter Holzbrücke«
Das Entwerfen, Forschen und Entwickeln im Bereich Brückenbau hat eine lange Tradition in Stuttgart. Allen voran haben die Stuttgarter Ingenieure Fritz Leonhardt und Jörg Schlaich durch ihr innovatives Wirken Brückenbaugeschichte geschrieben.
Mit der Benennung »Stuttgarter Holzbrücke« verbinden wir unsere Wertschätzung für deren Werk, verweisen ebenso auf das Selbstverständnis des Ingenieurs als Innovator und Gestalter wie auch auf die lange und beispielhafte Stuttgarter Tradition der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Ingenieuren, Architekten, Partnern aus der Wissenschaft und aus der Industrie.
Realisierungen im Remstal
Der Bedarf an Fuß- und Radwegbrücken im Zuge der interkommunalen Remstal Gartenschau 2019 war der Anlass, die Ergebnisse aus der Machbarkeitsstudie in die Marktreife zu überführen. Mit der Eröffnung der Remstalgartenschau am 10. Mai 2019 konnten insgesamt drei realisierte Brücken vom Typ »Stuttgarter Holzbrücke« der öffentlichen Nutzung übergeben werden – zwei davon in Weinstadt und eine weitere in Urbach.
Konstruktionsprinzip und technische Beschreibung
Erstmals in der Geschichte des Holzbaus konnten nicht zuletzt auch dank der Förderung durch Mittel aus dem Europäischen Fond für regionale Entwicklung (EFRE) eine integrale Massivholzbrücke realisiert werden. Integrale Brücke sind monolithisch und haben keine Lager und Fugen, die bei konventionellen Brücken wartungsintensiv und häufig nicht dauerhaft sind.
Bei dem eigens entwickelten festen Anschluss zwischen Holzüberbau und Stahlbetonfundament sorgen eingeleimte Gewindestangen für den kraftschlüssigen, »quasimonolithischen« Stoß. Im Gegensatz zu herkömmlichen Holzbrücken liegt das Tragwerk nicht horizontal auf einem Lager auf, sondern ist über die stirnseitigen Kontaktstöße zwischen Holz und Stahlbeton eingespannt. Die so ausgebildete Rahmenkonstruktion ist auf Pfahlgründungen im Dammbereich aufgesetzt.
Als Gehbelag kamen großformatige, sieben Zentimeter dünne Platten aus Textilbeton zum Einsatz – wie der gesamte Brückentyp ebenfalls erstmals in dieser Anwendung. Diese neuartige Materialentwicklung setzt Karbonfaserbewehrung anstelle des korrosionsanfälligen Stahls in Verbindung mit einem sehr feinkörnigen Beton ein. Da die notwendige Deckschichtdicke reduziert werden kann, ist die notwendige Betondicke und damit der Einsatz des energieintensiven Zements reduziert. Die hochbeständige textile Bewehrung garantiert eine lange Lebensdauer bei geringem Wartungsaufwand.
Der Gehbelag ist auf querliegenden Stahlprofilen aufgelagert und montiert. Der aus dieser Anordnung sich ergebende Zwischenraum dient der allseitigen natürlichen Belüftung des blockverleimten Brettschichtholzträgers.
Der konstruktive Holzschutz ist über mehrere Maßnahmen gesichert, zunächst durch die Belagsplatten. Sie wirken analog einer historischen Brücke als »Dach« mit seitlichem Überstand, sodass eine freie Bewitterung des tragenden Holzes ausgeschlossen werden kann. Die Belagsfugen sind dauerhaft abgedichtet. Der blockverleimte Träger ist oberseitig mittels einer diffusionsoffenen Folie abgedichtet. An relevanten Stellen sind im Holzkorpus Sensoren eingebaut, die das Monitoring des Feuchtegehalts ermöglichen.
Die Geländer bestehen aus Pfosten aus robustem Flachstahl, bespannt mit einem Seilnetz aus Edelstahl sowie Handläufen aus Rundhölzern.
Die »Stuttgarter Holzbrücke« ist ein neuartiger Typus einer integralen, blockverleimten Brettschichtholzbrücke. Sie ermöglicht nicht nur eine nachhaltige und die Möglichkeiten des modernen Holzbaus nutzende neue technische Lösung sondern eröffnet dem Holzbrückenbau auch die Entwicklung einer eigenständigen modernen Gestaltsprache.
Stuttgart, 26. Mai 2019
Thorsten Helbig, Prof. Peter Cheret