Zurück zum Profil
LEHMANN, TABILLION & CASTORPH

Büroetage Goetheplatz München

Bauzeit: 02/2013 bis 06/2013
Architekten: Goetz Castorph Architekten und Stadtplaner GmbH, München
Bauherr: Unger Unternehmensgruppe, Weiden
Postgebäude, 1932 (Baudenkmal)
Architekten: Robert Vorhoelzer, Walther Schmidt

Das denkmalgeschützte Postamt am Goetheplatz in München, erbaut 1932 von Robert Vorhoelzer und Walther Schmidt ist einer der Höhepunkte der modernen Architektur in Bayern.
Durch Kriegsschäden und mehrere Umbauten im Inneren stark verändert, beschränkte sich die originale Bausubstanz auf die massiven Außenwände und die Stützen des Stahlbetonskeletts. Für den Umbau der Büroetage im 1. Obergeschoss für unser Architekturbüro stand das Gebäudeinnere zur Disposition.

Wir analysierten die Geschichte des Hauses und fragten uns: Sind für den Umbau alte Planstände historisch bindend – die Entwurfsplanung von 1930 oder der davon abweichende Eingabeplan von 1931? Oder ist nicht auch der Umbau von 1985 ein Teil der Geschichte des Hauses? Wir entschlossen uns zu einer Neuinterpretation und versuchten mit unserem Umbau die besonderen räumlichen Qualitäten des Bestandes herauszuarbeiten. Dazu hierarchisierten wir die Umbaumaßnahme in drei Prioritätsebenen:

1. Eine Bühne für die Stadt, die Stadt als Bühne
In der ersten Prioritätsebene wurde die im Original erhaltene Substanz der Außenwände und Stützen freigestellt. Kleine charakteristische, historische Merkmale wie z.B. die ausgerundeten, metallgefassten Stützenkanten oder die Textur mehrerer Farbschichten auf den alten Heizkörpern und Installationen wurden nicht entfernt, sondern z.B. durch einfaches Überstreichen so deutlich wie möglich herausgearbeitet.
Da die Vorgaben des Denkmalschutzes im Bereich der Verglasungen weder Öffnungsflügel noch einen außenliegenden Sonnenschutz gestatteten, wird die gesamte Etage nun mechanisch belüftet. Die neu eingebaute Lüftungsanlage wurde in den abgehängten Akustikdecken und einem eigenen Technikraum untergebracht.
Transluzente Vorhänge, die auf der Außenseite mit reflektierendem Aluminium bedampft sind, bilden den innenliegenden Sonnenschutz. Formal sind die Vorhänge nach den Vorbildern auf historischen Fotografien der alten Büros auf die Höhe der Fensterbretter zugeschnitten. Die historische Farbgebung der mausgrauen Fensterrahmen lieferte die Referenz für die Farbgebung der neuen Oberflächen.

Seit den Entwurfsplänen von 1931 war das Bürogeschoss hinter der großzügigen geschwungenen Fassade kleinteilig in Einzelzimmer unterteilt. Wir wollten diesen räumlichen Widerspruch auflösen. Die Büroetage öffnet sich nun mit einem Raum über 14 Fensterachsen zum Platz. Die von Robert Vorhoelzer und Walther Schmidt beabsichtigte grafische Geste des horizontalen Fensterbands zwischen der vollverglasten Schalterhalle im Erdgeschoss und der darüber liegenden Lochfassade der Wohnungen konnte so erstmals auch räumlich architektonisch umgesetzt werden. Der Großraum wird zu einer Bühne für die Stadt und wir können in entgegengesetzter Blickrichtung, wie aus der Loge eines Zuschauerraums, die Aktivitäten auf dem Platz betrachten.

2. Individuelle Kabinette als Backstage-Bereich
In einer zweiten Prioritätsebene zogen wir ein neues System aus Trennwänden ein, das von einer langen grauen Wand bestimmt wird, die den geschwungenen Großraum von den Einzelbüros trennt. Durch den Verzicht auf jegliche Sockelsteckdosen, Lichtschalter und Fußbodenleisten erinnert die in matter Latexfarbe mausgrau schimmernde Wand fast an ein Objekt der Arte Povera. Die schlitzartigen, schmalen Türen mit nur 75 cm Durchgangsbreite aber 2,50 m Höhe signalisieren, dass die Zimmer hinter der Wand, im Gegensatz zum Großraumbüro, individuellen Charakter haben und individuell gestaltet sind. Das eklektizistisch möblierte Zimmer mit Bibliothek, das zum Innenhof orientiert ist, wirkt dabei fast wie eine zeitgenössische Interpretation des skurrilen John-Soane-Museums in London. Die abgewetzte Ledergarnitur mit Hochglanz-Couchtisch lädt ein zum informellen vertraulichen Gespräch. Flexibel nutzbare Arbeits- und Besprechungstische in Einzelbüros und im Konferenzzimmer bieten Raum für unterschiedliche Gesprächssituationen, Lichtstimmungen und Ausblicke.

3. Möblierung und Beleuchtung
Das Basiselement der Arbeitsplätze im Großraum bilden gestapelte und gesteckte, HPL-beschichtete Türblätter. Ihre Spannweite verleiht den Regalen für Materialmuster, Aktenordner und Bücher eine angenehme Großzügigkeit. An der Akustikdecke manifestiert sich noch das orthogonale Raster der ehemaligen Bürotrennwände in Form einer Matrix aus einfachen, dimmbaren Leuchtstoffröhren mit Tageslichtspektrum. Die Anordnung der leuchtenden Winkel schafft einen spannungsvollen Kontrast zur dynamisch geschwungenen Außenwand. Ergänzt wird die Beleuchtung durch an die Decke gerichtete Studio-Scheinwerfer, die den Loftcharakter unterstreichen und so die Idee des Büros als Bühne fast bildlich in Szene setzen.