LRO
Sanierung der Hospitalkirche Stuttgart
Roland Halbe, Stuttgart
Um es vorneweg zu sagen: so richtig gefallen hat uns die Hospitalkirche nicht.
Im städtischen Raum ein durchaus respektables Volumen mit dem Chor, dem Kirchturm und dem Rest der Südwand des ehemaligen Langschiffes. Hier war noch die Größe zu spüren, die Erinnerung an eine „Stadt“kirche, baulicher Anker in einer dicht bebauten Umgebung. Hatte man das Portal der Ruinenwand durchquert, fand man sich vor der Stirnwand der Kirche wieder, die sich durch eine ganz andere Gestaltung auszeichnete. Konnte man von außen noch die Erhabenheit und Ausdehnung von Chor und Langhaus erahnen, verflog dieser Eindruck, wenn man sich vor der ganz flächig gestalteten Fassade wiederfand, die weder mit den ursprünglichen großzügigen Spitzbogenfenstern, noch mit der Tiefenwirkung und damit des einhergehenden Licht- und Schattenspiels der gotischen Architektur etwas gemeinsam hatte. Dort war und wird auf den ersten Blick klar, dass sich hinter den hohen Fenstern einmal ein großer und eindrucksvoller Kirchenraum befand. Im Gegensatz ließ einen die Eingangsfassade der Nachkriegszeit im Unklaren.
Es geht bei der Hospitalkirche nicht nur um Reparatur, auch um die Frage des Umgangs mit einem Erbe, das wir in diesem Falle zweigeteilt sehen: Der gotischen Kirche auf der einen, und dem Teil-Wiederaufbau nach dem Krieg auf der anderen Seite.
Uns beschäftigte die Widersprüchlichkeit, auch der nach unserer Einschätzung gestalterisch mittelmäßige Umgang mit der Kriegsruine.
Die architektonischen Interventionen konnten, aufgrund eines engen Kostenrahmens, nur Detailbereiche betreffen. Die Frage stellte sich also, ob und wie mit geringfügigen Eingriffen die „heimatschutzbündlerische“ Attitude gemildert werden konnte. Auf jeden Fall war das Ziel, dem Kirchenraum die muffig-dunkle Anmutung zu nehmen, Licht in den Raum zu bringen und den Versuch zu unternehmen, die Öffnungen der Westfassade zu vergrößern.
Beim Entwurf des Hospitalhofes hatten wir bereits auf den Grundriss des ehemaligen Langhauses reagiert, indem wir schlanke Bäume an die ehemaligen Standorte der Kirchenpfeiler pflanzten. Der Gedanke war, zwischen dem Innen-und Außenraum eine Sichtbeziehung herzustellen, um die Verschmelzung der beiden Räume, Langhaus und Chor, in Erinnerung zu rufen. Deshalb planten wir einen großzügig verglasten Windfang in der Mitte des ursprünglichen Gebäudes, der gleichzeitig einen neuen und verbesserten Zugang zum Kirchenraum selbst ermöglichen sollte.
Der baulich größte Eingriff sollte durch den Abbruch der unteren Empore an der Westseite erfolgen, verbunden mit der Wegnahme des äußeren Balkons. Hier war nicht nur das Ziel, den Innenraum wesentlich besser mit Tageslicht versorgen zu können, auch den Raum selbst großzügiger zu fassen und dem ehemaligen Chor sein Volumen so weit wie möglich zurückzugeben. Licht fällt nun auch direkt durch die vergrößerten Fenster im „Obergeschoss“ in die Kirche. Hinter der Verglasung sind Glasprismen angeordnet, die das Licht brechen, wodurch bei entsprechendem Sonnenstand ein Farbspiel auf Boden und Wand zu erwarten ist.
Die Orgelempore musste durch den Ausbau der unteren Empore durch neue Konsolen und zwei schlanke Betonstützen abgefangen werden.
Der Wunsch, die eng stehenden Kirchenbänke zu entfernen, deckte sich mit der technischen Verbesserung der Heizung. So konnte auf der gesamten Fläche eine Fußbodenheizung geplant werden, die durch einen geschliffenen Gussasphalt als Bodenbelag überdeckt ist. Im Chor zeigt sich, wie es tatsächlich gelingen kann, durch kleine Maßnahmen eine räumliche Verbesserung zu erreichen: allein der Abbau des schweren Altars kann dort zu einem angenehmeren Raumeindruck führen. Ein neuer Altar in einer leichteren Materialisierung soll seinen Platz mehr im Zentrum der Kirche finden.
Eine kostengünstige, aber äußerst wirkungsvolle Maßnahme versprechen wir uns durch einen neuen Anstrich von Wand und Decke im Seitenschiff. Seither in derselben hellen Färbung wie der gesamte Kirchenraum, soll die neue, nachtblaue Farbe eine andere Raumwirkung verleihen. Das betrifft die Stärkung der Längsachse des Chores, wie sie vor dem Krieg das Volumen bestimmte, ohne dass es hier zu weiteren baulichen Eingriffen kommen muss. Der Kontrast, der der architektonischen Klärung dient, wird durch die Reinigung des Gewölbes und der helleren Fassung der Wandfarbe im Kirchenschiff selbst erreicht.
Durch den kostenbewussten Umgang, die enge Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber, dem Beirat und allen Planern konnte noch der Anstrich der Außenwände innerhalb des vorgegebenen Budgets finanziert werden. Auch das gehört zu dem Vorhaben, durch kleine, sparsame Eingriffe eine positive, sicher auch zeitgemäße Veränderung der Hospitalkirche zu erreichen. Der Spagat zwischen Kosten, denkmalpflegerischen Belangen, den gesetzlichen Vorgaben und der funktionstechnischen Ertüchtigung, sollte zu einer bescheidenen und dennoch noblen und erfrischenden Veränderung führen. Nicht der große Wurf war verlangt, aber eine Antwort auf die Frage, wie die Architektur dazu beitragen kann, dass man sich freut, die Kirche besuchen zu dürfen. Der große Wurf: das war die gotische Kirche. Sie ist Geschichte und diese Geschichte wollten wir besser zu verstehen helfen.
Bauherr:
Evangelische Gesamtkirchengemeinde, Stuttgart
Architekten:
Lederer Ragnarsdóttir Oei Architekten, Stuttgart
Mitarbeiter:
Johannes Steiner, Philip Gengenbach
Projektsteuerung:
nps Bauprojektmanagement GmbH, Stuttgart
Tragwerksplanung:
Bornscheuer Drexler Eisele, Stuttgart
Planung HLSE:
Paul+Gample+Partner, Esslingen am Neckar
Bauphysik:
Bayer Bauphysik, Fellbach
Brandschutz:
Halfkann + Kirchner, Stuttgart
SiGeKo:
Hess Sachverständige, Kirchheim / Teck
Vermessungstechnik: Vermessung Hils, Stuttgart
Wettbewerb:
Wettbewerb Hospitalhof 2009 – 1. Preis
Bauzeit:
2015-2017
BGF:
700 m2
NF:
355 m2
BRI:
6.460 m3
Standort:
Büchsenstrasse 33, 70174 Stuttgart
Im städtischen Raum ein durchaus respektables Volumen mit dem Chor, dem Kirchturm und dem Rest der Südwand des ehemaligen Langschiffes. Hier war noch die Größe zu spüren, die Erinnerung an eine „Stadt“kirche, baulicher Anker in einer dicht bebauten Umgebung. Hatte man das Portal der Ruinenwand durchquert, fand man sich vor der Stirnwand der Kirche wieder, die sich durch eine ganz andere Gestaltung auszeichnete. Konnte man von außen noch die Erhabenheit und Ausdehnung von Chor und Langhaus erahnen, verflog dieser Eindruck, wenn man sich vor der ganz flächig gestalteten Fassade wiederfand, die weder mit den ursprünglichen großzügigen Spitzbogenfenstern, noch mit der Tiefenwirkung und damit des einhergehenden Licht- und Schattenspiels der gotischen Architektur etwas gemeinsam hatte. Dort war und wird auf den ersten Blick klar, dass sich hinter den hohen Fenstern einmal ein großer und eindrucksvoller Kirchenraum befand. Im Gegensatz ließ einen die Eingangsfassade der Nachkriegszeit im Unklaren.
Es geht bei der Hospitalkirche nicht nur um Reparatur, auch um die Frage des Umgangs mit einem Erbe, das wir in diesem Falle zweigeteilt sehen: Der gotischen Kirche auf der einen, und dem Teil-Wiederaufbau nach dem Krieg auf der anderen Seite.
Uns beschäftigte die Widersprüchlichkeit, auch der nach unserer Einschätzung gestalterisch mittelmäßige Umgang mit der Kriegsruine.
Die architektonischen Interventionen konnten, aufgrund eines engen Kostenrahmens, nur Detailbereiche betreffen. Die Frage stellte sich also, ob und wie mit geringfügigen Eingriffen die „heimatschutzbündlerische“ Attitude gemildert werden konnte. Auf jeden Fall war das Ziel, dem Kirchenraum die muffig-dunkle Anmutung zu nehmen, Licht in den Raum zu bringen und den Versuch zu unternehmen, die Öffnungen der Westfassade zu vergrößern.
Beim Entwurf des Hospitalhofes hatten wir bereits auf den Grundriss des ehemaligen Langhauses reagiert, indem wir schlanke Bäume an die ehemaligen Standorte der Kirchenpfeiler pflanzten. Der Gedanke war, zwischen dem Innen-und Außenraum eine Sichtbeziehung herzustellen, um die Verschmelzung der beiden Räume, Langhaus und Chor, in Erinnerung zu rufen. Deshalb planten wir einen großzügig verglasten Windfang in der Mitte des ursprünglichen Gebäudes, der gleichzeitig einen neuen und verbesserten Zugang zum Kirchenraum selbst ermöglichen sollte.
Der baulich größte Eingriff sollte durch den Abbruch der unteren Empore an der Westseite erfolgen, verbunden mit der Wegnahme des äußeren Balkons. Hier war nicht nur das Ziel, den Innenraum wesentlich besser mit Tageslicht versorgen zu können, auch den Raum selbst großzügiger zu fassen und dem ehemaligen Chor sein Volumen so weit wie möglich zurückzugeben. Licht fällt nun auch direkt durch die vergrößerten Fenster im „Obergeschoss“ in die Kirche. Hinter der Verglasung sind Glasprismen angeordnet, die das Licht brechen, wodurch bei entsprechendem Sonnenstand ein Farbspiel auf Boden und Wand zu erwarten ist.
Die Orgelempore musste durch den Ausbau der unteren Empore durch neue Konsolen und zwei schlanke Betonstützen abgefangen werden.
Der Wunsch, die eng stehenden Kirchenbänke zu entfernen, deckte sich mit der technischen Verbesserung der Heizung. So konnte auf der gesamten Fläche eine Fußbodenheizung geplant werden, die durch einen geschliffenen Gussasphalt als Bodenbelag überdeckt ist. Im Chor zeigt sich, wie es tatsächlich gelingen kann, durch kleine Maßnahmen eine räumliche Verbesserung zu erreichen: allein der Abbau des schweren Altars kann dort zu einem angenehmeren Raumeindruck führen. Ein neuer Altar in einer leichteren Materialisierung soll seinen Platz mehr im Zentrum der Kirche finden.
Eine kostengünstige, aber äußerst wirkungsvolle Maßnahme versprechen wir uns durch einen neuen Anstrich von Wand und Decke im Seitenschiff. Seither in derselben hellen Färbung wie der gesamte Kirchenraum, soll die neue, nachtblaue Farbe eine andere Raumwirkung verleihen. Das betrifft die Stärkung der Längsachse des Chores, wie sie vor dem Krieg das Volumen bestimmte, ohne dass es hier zu weiteren baulichen Eingriffen kommen muss. Der Kontrast, der der architektonischen Klärung dient, wird durch die Reinigung des Gewölbes und der helleren Fassung der Wandfarbe im Kirchenschiff selbst erreicht.
Durch den kostenbewussten Umgang, die enge Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber, dem Beirat und allen Planern konnte noch der Anstrich der Außenwände innerhalb des vorgegebenen Budgets finanziert werden. Auch das gehört zu dem Vorhaben, durch kleine, sparsame Eingriffe eine positive, sicher auch zeitgemäße Veränderung der Hospitalkirche zu erreichen. Der Spagat zwischen Kosten, denkmalpflegerischen Belangen, den gesetzlichen Vorgaben und der funktionstechnischen Ertüchtigung, sollte zu einer bescheidenen und dennoch noblen und erfrischenden Veränderung führen. Nicht der große Wurf war verlangt, aber eine Antwort auf die Frage, wie die Architektur dazu beitragen kann, dass man sich freut, die Kirche besuchen zu dürfen. Der große Wurf: das war die gotische Kirche. Sie ist Geschichte und diese Geschichte wollten wir besser zu verstehen helfen.
Bauherr:
Evangelische Gesamtkirchengemeinde, Stuttgart
Architekten:
Lederer Ragnarsdóttir Oei Architekten, Stuttgart
Mitarbeiter:
Johannes Steiner, Philip Gengenbach
Projektsteuerung:
nps Bauprojektmanagement GmbH, Stuttgart
Tragwerksplanung:
Bornscheuer Drexler Eisele, Stuttgart
Planung HLSE:
Paul+Gample+Partner, Esslingen am Neckar
Bauphysik:
Bayer Bauphysik, Fellbach
Brandschutz:
Halfkann + Kirchner, Stuttgart
SiGeKo:
Hess Sachverständige, Kirchheim / Teck
Vermessungstechnik: Vermessung Hils, Stuttgart
Wettbewerb:
Wettbewerb Hospitalhof 2009 – 1. Preis
Bauzeit:
2015-2017
BGF:
700 m2
NF:
355 m2
BRI:
6.460 m3
Standort:
Büchsenstrasse 33, 70174 Stuttgart