Zurück zum Profil
TCHOBAN VOSS Architekten

Jahreszeiten-Ensemble, St. Petersburg I Büro Berlin I 2013

Foto: Aleksey Naroditsky
Foto: Aleksey Naroditsky
Ort
Sankt-Peterburg
Gebäudekategorie
Gewerbe und Industrie
Bauvorhaben
Umbau
Jahr der Fertigstellung
2013
Material Fassade
Glas
Zwei Neubauten und Ausbau eines Industrierohbaus für Büros auf dem ehemaligen Rossiya-Gelände

Jahreszeiten
Die drei gläsernen Gebäude des Jahreszeiten-Ensembles, eines neuen Bürokomplexes Polustrovo in Sankt Petersburg, befinden sich auf einem Grundstück mit einer einzigartig-wechselvollen Geschichte. Hier, auf dem westlichen Nevaufer gegenüber der Smolny-Kathedrale wurde  Ende des 18. Jahrhunderts nach einem Projekt von Giacomo Quarenghi ein Landhaus für den Kanzler Alexander Bezborodko gebaut. Auf dem Gelände wurde ein Englischer Park angelegt, einige Gartenanlagen gebaut. Jahrelang war dieses Landhaus nicht nur ein Zentrum des gesellschaftlichen Lebens, sondern auch ein beliebtes Erholungs- und  Kurort. Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Haus verkauft und das Grundstück in mehrere Teile zerschlagen, in das ehemalige Palais zog ein Krankenpflegeheim, das Gelände an den heilenden Polustrovskije Springquellen aber behielt seinen Ruf als  Erholungsgebiet. Die Familie des berühmten Kunsttheoretikers und Malers Alexander Benois mietete hier über eine lange Zeit ein Sommerhaus, heftige Diskussionen des Künstlerverbandes „Mir iskusstva“ fanden hier statt. Im Jahre 1911 belegte der Maschinenbetrieb Rossija im Zuge der „Industrialisierung des gesamten Landes“ große Teile des Areals als Werksgelände und errichtete Produktionsstätten, Lager und Verwaltungsgebäude. Die einstige Gartenanlage ging verloren. Nach dem Fall des Kommunismus wurde der Betrieb geschlossen, die teils noch unfertigen Bauten standen leer und begannen zu zerfallen.
Nach dem Masterplan von nps tchoban voss wurden auf dem Gelände ein Business-Park und eine Wohnanlage errichtet. Begrenzt wird das Gebiet im Süden vom Sverdlovskaya Ufer an der Neva, im Westen durch zwei Reihen Pavillonbauten des Krankenpflegeheims der Gesellschaft der Elisabeth-Schwestern im ehemaligen Palais Kushelev-Bezberodko, im Norden von einem weiteren Planungsgebiet im ehemaligen Kurpark um die Polyustrovsky-Teiche, und im Osten durch den Piskarevsky-Prospekt. Der Masterplan ist in seiner Hauptachse auf die Kuppel der berühmten Smolny-Kathedrale ausgerichtet, an den Erschließungsrändern im Süden und Osten ist die Bebauung weitgehend geschlossen und sieht Gebäudegruppen in unterschiedlicher Architektursprache im Inneren vor, die jedoch von einer städtebaulichen Idee vereint sind.
Die Anlage des Ensembles aus 3 Glaskörpern in Form eines Ehrenhofs befindet sich im westlichen Bereich an einem Ausläufer der Polyustrowsky-Teiche. Sie ist um einen neuen rechteckigen Platz gruppiert, der sich zur Ulitsa Zhukova hin öffnet. Die Gestaltung der vollverglasten, bedruckten Fassaden zeigt Pflanzenmotive als Reminiszenz an die einstige Parkanlage auf dem Areal und variiert das Thema der Jahreszeiten. Das Skelett des westlichen Baukörpers ist noch Bestandteil der sowjetischen Industriearchitektur. Aufgestockt um zwei Geschosse und bedruckt mit Blätter- und Blütenmotiven in leuchtenden Grün- und Gelbtönen erinnert die neue gläserne Gebäudehülle an den Sommer, russisch: „Leto“. Rückwärtig zum Teich öffnet sich das Gebäude im Erdgeschoss mit einem Wintergarten. Östlich gegenüber dem Business Center Leto wurde das Business Center „Osen“, russisch für „Herbst“, mit einer Fassade in derselben Gestaltungstechnik und herbstlichen Blättermotiven in Orangetönen neu errichtet, und im Süden schließt der Neubau des Business Center Zima mit winterlichen Motiven und einem zentral aufgedruckten historisierenden Portikus aus sechs korinthischen Säulen mit aufgesetzten Löwenkonsolen und Bögen in Schattierungen von Lichtgrau bis Schwarzblau das Karré. Die nahezu vollflächig bedruckten Glasvolumina geben den Nutzern in den Obergeschossen den Ausblick durch Öffnungen im Blätterwerk frei. Auch in den Flächen mit vollflächiger Bedruckung ergeben sich je nach Lichtsituation sehr unterschiedliche Stimmungen im Inneren. Bei strahlendem Sonnenschein tritt die Wahrnehmung der drei Volumen mit dem flächigen Dekor als Hohlkörper in den Hintergrund und stellt Form, Maßstab und Dimensionen in den Fokus, während die künstliche Innenbeleuchtung im Abend- und Nachtlicht, bei Nebel oder in der besonderen Petersburger Stimmung der Tage um die Sonnenwende die Gebäudekörper mit den großformatigen Motiven in eine Vielzahl an Flächen, Schichten und Tiefen aufzulösen scheint und fast surreal wirkt. Die Empfangsbereiche im Inneren der drei Bürohäuser sind ebenfalls mit gläsernen Verkleidungen versehen, setzen das Motiv teils vollflächig, teils punktuell fort oder nehmen den Grundton der Fassade auf.

Berlin, März 2013