Zurück zum Profil
feld72 Architekten

Neu Leopoldau

Generation XYZ
Hertha Hurnaus
Hertha Hurnaus
Ort
Wien
Gebäudekategorie
Geschosswohnungsbau
Bauvorhaben
Neubau
Jahr der Fertigstellung
2020
Material Fassade
Beton
Auf dem Gelände des ehemaligen Gaswerks Leopoldau im 21. Wiener Gemeindebezirk entsteht das Quartier Neu Leopoldau mit einem besonderen Fokus auf „Junges Wohnen“. Unter Einbeziehung der denkmalgeschützten Bestandsgebäude wird ein neuer Stadtteil geschaffen, der sich speziell an den Bedürfnissen junger Menschen orientiert. Neu Leopoldau ist ein Quartier der IBA_Wien, der Internationalen Bauausstellung Wien 2022 zum Thema „Neues soziales Wohnen“.


Monolith am Quartierseingang

Am Eingang zum Areal setzt der soziale Wohnbau von feld72 durch seinen klar gerichteten Baukörper, die Gebäudehöhe sowie die charakteristische Sichtbetonfassade einen städtebaulichen Akzent. Die einheitlichen, bodentiefen Fenster sowie die Balkone sind spielerisch versetzt angeordnet. Umlaufende Deckenbänder in Resedagrün strukturieren die Fassade und verleihen dem achtgeschossigen Gebäude einen ruhigen Charakter. Ein deutlich formuliertes Dachgeschoss mit Giebelflächen an allen vier Fassaden definiert den oberen Gebäudeabschluss. Die Grau- und Grüntöne des Gebäudes fügen sich unaufgeregt in den postindustriellen Kontext ein.


Neues soziales Wohnen

Das quartiersübergreifende Thema „Junges Wohnen“ spiegelt sich auch im Gebäude wider – dabei ist „Jung" nicht altersabhängig, sondern wird viel mehr als „Jung geblieben“ verstanden. Die Grundidee war es, ein offenes und lebendiges Haus zu schaffen, das flexibel und langfristig nutzbar ist. Es soll als Ort für regen Austausch und persönliche Entfaltung dienen und gleichzeitig Rückzugbereiche in das Eigene und Private bieten.

Alle Wohngeschosse sind nach einem Zwiebelprinzip organisiert: der Kern des Hauses bildet das großzügige, von oben belichtete Stiegenhaus. Dort ermöglichen zueinander versetzte Treppen Blickbeziehungen und Kommunikation über mehrere Stockwerke. Den ersten Ring bildet die sogenannte Pluszone – der verglaste Übergangsbereich zwischen Stiegenhaus und privatem Wohnbereich. Daran anschließend folgen die zwei äußeren Ringe mit Küche, Bad, Toilette sowie Wohn- und Schlafbereich. An der Schale befinden sich die Balkone und Terrassen.

Inspiriert vom charakteristischen „Fenster zum Gang“ in den historischen Wiener Gründerzeithäusern sind die Wohnungseingangstüren im gesamten Haus verglast. Die Wohnungen öffnen sich somit Richtung Stiegenhaus, der Übergang zwischen dem Öffentlichen und Privaten ist fließend. In diesem Übergangsbereich – in der Pluszone – haben die Bewohner*innen die Möglichkeit, sich einander zu zeigen. Ob Atelier, Home Office, Bibliothek, Ausstellungsraum oder temporärer Hausflohmarkt – die Art und Häufigkeit der Nutzung dieses Raumes bestimmen die Mieter*innen selbst.

Das Haus bietet Platz für ca. 150 Bewohner*innen in 65 geförderten Mietwohnungen auf einer Wohnnutzfläche von ca. 4.000 m². Das Angebot reicht von 40 m² für 1-Zimmer- bis 75 m² für 3-Zimmer-Wohnungen, alle mit eigenem Freiraum. 40% der Wohnungen sind „SMART-Wohnungen“ – eine kompakte und besonders kostengünstige Wohnform. Im Dachgeschoss befinden sich Maisonettewohnungen mit einer großzügigen Raumhöhe von 4,5 m und Weitblick. Darüber hinaus befinden sich zwei Wohngemeinschaften mit je 130 m² im Haus. Das vielfältige Wohnangebot bildet die Grundlage für eine bunte Durchmischung im Haus.


Gemeinschaft im Erdgeschoss

Im Erdgeschoss befinden sich eine Waschküche sowie eine Gemeinschaftsküche, welche den Bewohner*innen des gesamten Quartiers zur Verfügung steht. Richtung Osten öffnet sich der Freiraum mit Terrasse, Pflanzbeeten und einem Kinder- und Jugendspielbereich, eingebettet in den alten Baumbestand. Im Süden und Westen wird der Bauplatz von der Bestandsmauer des ehemaligen Industriegeländes umrahmt. Sie wurde bewusst erhalten, teilweise geöffnet und an der Außenseite von den Graffitikünstler PERKUP, RUIN und SKIRL gestaltet.


Modulare Bauweise

Das gesamte Haus wurde mit gedämmten Sichtbetonfertigteilen gebaut. Eine besondere Bauweise vor allem im sozialen Wohnbau, wo üblicherweise der Vollwärmeschutz zum Einsatz kommt. Das Thermowandsystem für den Wohnbau wurde von feld72 in Kooperation mit der Südtiroler Betonfirma PROGRESS entwickelt und kam bereits bei der Wohnanlage Eppan (IT, 2015) zum Einsatz. Die Arbeit mit vorgefertigten Wandelementen erfordert eine frühe und detailgenaue Planung. Kommen die Fertigteile auf der Baustelle an, müssen diese dort nur noch aufgestellt und ausbetoniert werden. Durch das schnelle und beinahe wetterunabhängige Bauen konnte innerhalb von zwei Wochen ein komplettes Geschoss fertiggestellt werden – und das ganz ohne Gerüst. Die Fertigteilfassade ist deutlich wartungsarmer und langlebiger als ein Wärmedämmverbundsystem.

Im Inneren des Gebäudes ermöglichen die modulare Bauweise und ein Minimum an tragenden Wänden flexible Grundrisse: je nach Bedarf können kleinere Wohnungen zu größeren zusammengeschlossen werden oder umgekehrt. Ein resilientes Haus, das flexibel auf zukünftige Wohnbedürfnisse reagieren kann und somit langfristig nutzbar bleibt.


Daten

Kategorie: 2-stufiger Bauträgerwettbewerb, 1. Preis
Ort: Wien, AT
Fertigstellung: 2019
Auftraggeber: SCHWARZATAL
Landschaftsarchitektur: Simma Zimmermann Landschaftsarchitektinnen
Projektsteuerung: raum & kommunikation
Soziologie: Prof. Dr. Jens S. Dangschat
Projektpartner: Statik, Haustechnik & Elektro: kppk / Brandschutzplanung: Dipl. Ing. Ianko Ivanov / Bauphysik: IBO
Mitarbeiter*innen feld72: Yuliana Abisheva, Martin Bauer, Andreas Ettmayer, Marino Fei, Marie-Theres Genser, Ana Patricia Gomes, Raphael Gregorits, Hannah Jöchl, Adrian Judt, Gerhard Oberhofer, Valentina Ramona Paul, Alexander Seitlinger, Rebecca Sparr, Elian Trinca
Kunst am Bau: PERKUP, SKIRL, RUIN
Visualisierung: RIVIERA | MORETTI
Fotos: Hertha Hurnaus
BGF: 5.400 m²