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LRO

Hightech Innovation Center München

flexibles Büro- und Forschungsgebäude für die Würth Elektronik eiSos GmbH & Co. KG
Roland Halbe, Stuttgart
Roland Halbe, Stuttgart
Ort
München-Freiham
Gebäudekategorie
Büros, Banken
Bauvorhaben
Neubau
Jahr der Fertigstellung
2023
Material Fassade
Beton
Vielerlei Artikel der Firma Würth sind in unseren Gebäuden bereits zur Anwendung gekommen. Mit dem Entwurf für das Hightech Innovation Center durften nun wir für das Unternehmen tätig werden. Das Gebäude in München Freiham nimmt Laborräume, Werkstätten und Büros für die Produktentwicklung von innovativen und kundenspezifischen, elektronischen und elektromechanischen Bauteilen auf.

Im Bebauungsplan mit Gestaltungsleitfaden sind akribisch vielerlei Details vorgeschrieben, die in Bezug auf die formale Ausprägung des Baukörpers nur wenig Spielraum lassen von der Größe der Bebauung bis hin zur Farbe der Fassaden. Um das Programm in diesem Rahmen umsetzen zu können und die zulässige Ausnutzung des Grundstücks nicht zu überschreiten, haben wir einen kompakten dreigeschossigen Quader entworfen, aus dem einzelne Volumen ausgeschnitten sind. Diese Einschnitte liegen jeweils in der Mitte der Fassade, damit der Gesamtbaukörper seinen Charakter als klare stadträumliche Setzung behält und dem Ort allseitig ein Gesicht verleiht. Die auf unterschiedlichen Gebäudeebenen liegenden Einschnitte lassen dabei räumlich gefasste Terrassen entstehen, die dem Wunsch nach differenzierten Freiräumen für Mitarbeiter und Gäste des Hauses entsprechen.

Der Haupteingang liegt in einer solchen zurückgesetzten Situation auf der Westseite des Gebäudes. Gegenüber wird der zweite Bauabschnitt des Hightech Innovation Centers errichtet. Zukünftig kann somit ein attraktiver, zwischen beiden Gebäuden gefasster Vorplatz entstehen und als „Visitenkarte“ des Unternehmens zum Aufenthalt und zu Empfängen einladen. In der Verlängerung des neuen Vorplatzes lassen sich die S-Bahn und die gerade entstehende neue Stadtmitte von München Freiham in nur wenigen Schritten erreichen. Das weit über den Eingang hinausragende Vordach wird zu einem späteren Zeitpunkt als Auflager für eine Brücke dienen, welche die interne Verbindung hinüber zum zweiten Bauabschnitt ermöglicht.

Die ebenerdige Terrasse im Süden dient als Freisitz des Betriebsrestaurants und erhält durch den unmittelbar angrenzenden öffentlichen Grünraum eine hohe Aufenthaltsqualität. In der Mitte des Gebäudes liegt ein quadratischer Innenhof als begrünter Gartenraum, zu dem hin sich das Foyer und das Restaurant mit dem angrenzenden Sportraum großzügig öffnen.

Die Fassade ist aus hellen Betonfertigteilen vor die eigentliche Tragkonstruktion gestellt. Das Gerüst aus eng stehenden Stützen und auskragenden Brüstungselementen verleiht der Fassade Tiefe und tektonische Gestalt im Kontrast zu den glatten Wärmedämmverbundfassaden der Nachbargebäude. Der Weißbeton wurde gestockt, sodass der Zuschlag aus buntem Isar-Kies sichtbar wird. Durch den rechteckigen Stützenquerschnitt entstehen tiefe Laibungsflächen an den Fenstern. So wirkt die Fassade in der Bewegung entlang der angrenzenden Straßen geschlossen, während sie sich in der direkten Ansicht mit großzügig dimensionierten Einzelfenstern öffnet. Je nach Blickwinkel lässt die Tiefe der vorgestellten Betonfassade von innen eine bergende Raumwirkung entstehen, sodass trotz des hohen Glasanteils nirgends der Eindruck entsteht, ungeschützt in einer transparenten Glaskiste zu sitzen. An den Vorplatz schließt das offene Foyer an, das hinauf bis zur obersten Etage reicht und die sichtbar belassenen Betonoberflächen der Gebäudekonstruktion zeigt. Die in Würth-Rot lackierte, gewendelte Haupttreppe verbindet die Ebenen untereinander und bildet mit ihren geschlossen Treppenwangen einen eigenen Raum im weiten Foyer, der im Erdgeschoss betreten und in den Obergeschossen wieder verlassen wird.

Die differenzierten Labor- und Versuchsräume des Testfelds für die elektronischen Bauteile nehmen etwa ein Viertel der Gesamtfläche ein und schließen im EG und im UG nördlich an das Foyer an. In der prominenten Süd-West-Ecke zwischen Foyer und Betriebsrestaurant liegt das Auditorium, das über eine mobile Trennwand in zwei Säle gleicher Größe aufgeteilt werden kann.

In den Obergeschossen schließen die unterschiedlichen Abteilungen von Entwicklung, Verwaltung und Vertrieb zu beiden Seiten des Foyers an. Sämtliche Flächen sind innerhalb des durch die Fassade vorgegebenen Gebäuderasters flexibel aufteilbar. Die beiden zweiläufigen Fluchttreppen auf der Ostseite sichern die schnelle Verbindung der einzelnen Etagen. Wiederum im Südwesten liegt im 2. Obergeschoss der Konferenzbereich mit Besprechungsräumen unterschiedlicher Größe, die über die angrenzenden Grünflächen hinweg Aussicht bis zu den Alpen bieten.


Klima

Die allseitigen Fensterfassaden versorgen in Verbindung mit den Gebäudeeinschnitten alle Verwaltungsbereiche großzügig mit Tageslicht. Die weit auskragenden Simse dienen dabei als baulicher Sonnenschutz.

Die Grundtemperierung des Gebäudes erfolgt über eine Betonkernaktivierung in den unverkleideten Betondecken. Durch die Vorspannung der Bewehrung konnten dünne Stahlbetondecken mit großer Spannweite realisiert werden, sodass durch den Verzicht auf innere Stützen die Innenräume variabel aufgeteilt werden können. Die Wärme- und Kälteerzeugung erfolgt regenerativ über Wärmetauscher im Grundwasser. Die Aktivierung der Gebäudemasse als thermischer Speicher durch Verzicht auf Verkleidungen der schweren Tragkonstruktion reduziert die Anforderungen an die technischen Anlagen. So wird zu allen Jahreszeiten ein angenehmes Raumklima erreicht. Durch die natürliche Belüftung der Arbeitsräume über die Fenster konnte auf eine aufwendige Lüftungsanlage verzichtet werden.


Innenraum

Für die Innenräume haben wir robuste und reparaturfähige, natürliche Baustoffe von hoher Beständigkeit ausgewählt. Wo es möglich und zweckmäßig erschien, sind die Betonoberflächen sichtbar belassen. Die nötige Haustechnik wird dabei mit präziser Leitungsführung offen an den Decken geführt. Die Bodenbeläge in den öffentlichen Bereichen bestehen aus strapazierfähigem Naturstein oder Massivparkett. In den Büroräumen ist Teppichboden verlegt. Alle akustisch erforderlichen Wandverkleidungen sowie die von uns gestalteten Einbaumöbel sind aus Eschenholz gefertigt. Die Verkleidung mit Massivholzleisten verbessert die Raumakustik, ist weniger empfindlich als furnierte Oberflächen und angenehm anzufassen. Die Raumaufteilung der Verwaltungsebenen und die Möblierung des Hauses wurden entsprechend den Anforderungen der Abteilungen von einem Inneneinrichter umgesetzt. Dabei zeigt sich, wie flexibel die Gebäudestruktur auf unterschiedliche Bedürfnisse der Nutzer reagieren kann. Denn der wesentliche Aspekt in der Lebenszyklusbetrachtung ist für uns die Dauerhaftigkeit. Dies betrifft sowohl die Wahl der Materialien als auch die Flexibilität der Gebäudestruktur und insbesondere eine auf lange Sicht positiv empfundene Architekturqualität.