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Pichler & Traupmann Architekten

Wettbewerb: ÖBB Konzernzentrale, Wien 10

Ort
Wien
Gebäudekategorie
Büros, Banken
Bauvorhaben
Neubau
Jahr der Fertigstellung
2009
ENTWURFSKONZEPT
Wir schlagen ein Gebäude vor, das sich nicht als Solitär, sondern als Teil der Masse der Stadt verstehen soll. Die städtebaulichen Randbedingungen formen das Gebäude, welches aber gleichzeitig den Passanten und Nutzern städtische Präsenz zurückgibt.
Vorgegeben sind die Gebäudehöhen von 21, 35 und 88 Meter Höhe. Diese Höhen werden kontinuierlich verschmolzen. Die notwendigen Lichteinfallswinkel auf die Nachbargebäude sowie die Bestimmungen über die zulässige Gebäudehöhe in Abhängigkeit der Straßenbreite und Bauklassen geben dem Gebäude den letzten Schliff.
Die entstehende Spiralform wirkt einerseits als markante, von der Ferne sichtbare Silhouette, entwickelt sich jedoch andererseits fundamental aus dem Gehsteigniveau heraus, also von 0 auf 88 Meter. Dabei wird der Hochhausbaukörper unterschnitten, und es entsteht ein zweites städtisches und öffentliches Niveau als Pendant zur Hochlage des Bahnhofs. Dieses Niveau ist über eine Stufenrampe begehbar und fungiert als unabhängige Erschließung des 500-Plätze-Restaurants sowie als dessen gedeckte Terrasse. Die Rampe entwickelt sich weiter zum Dach der halböffentlichen Funktionen, wie zum Beispiel der des Konferenzzentrums, und bildet durch die Schräge gleichzeitig den städtebaulichen Auftakt zur höhenmäßig beschränkten Sonnwendgasse. Die Dachfläche steigt in der verlängerten Argentinierstraße weiter an, hier befinden sich die Fremdfunktionen, um dann radikal zum Turm – besser „Flügel“ – aufzusteigen. Dieser enthält die reinen ÖBB-Bürogeschoße und erfüllt alle Anforderungen eines Hochhauses mit zwei Brandabschnitten pro Geschoß.
Vorgegeben ist weiters eine umlaufende Arkade, die zum überwiegenden Teil auf Straßenniveau verwirklicht wird. Über die oben beschriebene Stufenrampe wird ihr Niveau jedoch angehoben und so als Terrassenfläche auf einer städtischen Bastei interpretiert. In dieser Bastei befinden sich die Funktionen der Polizei sowie hinter den Arkadenflächen alle weiteren Funktionen, deren unmittelbare Erreichbarkeit von der Straße sinnvoll und notwendig ist.
Es hat sich daher ein kompaktes, funktional vollkommen ausgefülltes Sockelgeschoß entwickelt, in das jedoch für den öffentlichen Raum eine breite Schneise geschlagen ist. Hier sticht man vom Platz her mittels Rolltreppen und Besucherlift in die auf Ebene 1 liegende Lobby, die wiederum eine Sichtbeziehung zum Außenraum eröffnet. Durch das Glasdach an der südlichen Hochhausfassade vorbei und über den unter dem Hochhausflügel durchtauchenden Trakt der halböffentlichen Funktionen hinweg blickt man gegen den Himmel. Von hier aus erreicht man einerseits über Vereinzelungsanlagen die Liftgruppe des Büroturms der ÖBB und andererseits die zweite Liftgruppe, die sämtliche anderen Funktionen, interne wie externe, halböffentliche wie nicht-öffentliche, bedient, sowie auch das Restaurant.
Zusammenfassend sei nochmals gesagt, dass die städtebauliche Großform – die Spirale – auch im Kleinen platzräumlich sowie leitend und ordnend wirksam wird. Trotz der „Aufhebung“ der klassischen Sockelzone kann die geforderte Gesamt-Bruttogeschoßfläche nachgewiesen werden, da Luftigkeit und Schlankheit von Westen gegen bewusste Massigkeit von den anderen Richtungen gesehen ausgespielt wird. Ganz nebenbei entsteht eine Antwort auf die räumlichen Qualitäten des Bahnhofs und seiner Dachflügel – und damit ein Stück Corporate Identity für die ÖBB.


TECHNISCHE GEBÄUDEAUSSTATTUNG
ENERGIEKONZEPT:
Für das Energiekonzept ist ein sorgfältiger Umgang mit den Ressourcen ohne Übertechnisierung angepeilt. Einerseits sollen zeitgemäß entwickelte Technologien zum Einsatz kommen, aber auch Erfahrungswerte und Vorbilder aus der architektur- und baugeschichtlichen Entwicklung
1)Energieversorgung
Für die energieeffiziente Versorgung der Bauteilaktivierung in den Büroräumen sind Wärmepumpen vorgesehen. Die Energiequellen der Wärmepumpenanlage sind einerseits eine Brunnenwassernutzung und andererseits die Nutzung von Geothermie über Bohrpfähle. Folgende ökologische Aspekte sind systembedingt hervorzuheben
• Durch den Einsatz der oberflächennahen Bauteilaktivierung zur Raumkühlung können optimale Arbeitszahlen bei den Wärmepumpensystemen und die Potentiale der freien Kühlmöglichkeiten ohne Einsatz von zusätzlicher Energie ausgenutzt werden.
• Geothermie und Grundwassernutzung sind umweltfreundliche Energiequellen. Sie erzeugen weder Luftschadstoffe noch CO2 und sind somit ein idealer Ersatz für fossile Energieträger.
• Geothermie und Grundwassernutzung sind ständig verfügbar. Sie hängen nicht oder nur geringfügig von klimatischen Verhältnissen oder von der Jahres- oder Tageszeit ab.
• Da in menschlichen Zeiträumen unerschöpflich, wird Geothermie und Grundwassernutzung zu den erneuerbaren Energien gerechnet, ist also «nachhaltig»; das heißt, die Bedürfnisse der heutigen Generation können befriedigt werden, ohne dadurch die Möglichkeiten künftiger Generationen zu beeinträchtigen. Die Wärme- und Kälteversorgung für die übrigen Verbraucher des Bauvorhabens erfolgt über ein Netz von Fernwärme bzw. Fernkälte.
2) Klimatisierung von Büros, Besprechungszimmer und Konferenzräume
Für die Heizung und Kühlung der Bereiche wird in jeder Fensterachse eine achsweise regelbare eingeputzte Kühldecke ausgeführt. Die mechanische Be- und Entlüftung erfolgt über eine Teilklimaanlage. Die konditionierte Zuluft (geheizt / gekühlt und entfeuchtet) wird in Kanälen geführt im Bereich des Doppelbodens eingeblasen. Die Abluft wird über entsprechende schallgedämmte Tellerventile an der Stirnseite der Räume an jeder zweiten Achse abgesaugt. Die Be- und Entlüftung der Gänge erfolgt ebenso über die Klimaanlage der Bürobereiche. Die Nassgruppen im Bürobereich werden mechanisch über eigene Abluftanlagen be- und entlüftet. Die Zulufteinbringung erfolgt über die Büroanlagen.
Zusätzlich zum Betrieb der Teilklimaanlage soll auch ein natürliches Belüftungskonzept kombiniert mit mechanischem Entlüftungssystem möglich sein. Dies soll vor allem auch für eine Nachtlüftung zum Einsatz kommen. Die Fassade ist derart angelegt, dass dieses System möglich ist.
Über Temperaturdifferenzregelung wird ein kontrolliertes Zuluftsystem (Fensterlamellen / elektrisch öffenbare Kippflügel) gesteuert, erlaubt bei Absinken der nächtlichen Außentemperaturen im Sommer den Eintritt der kühleren Luft in den Raum im Bereich der Decken und kühlt diese entsprechend ab. Die Luftzirkulation wird über die Anlage mit den Tellerventilen in jeder zweiten Achse an der Stirnseite der Büros reguliert. Bei Auftreffen der Sonne auf die jeweiligen Fassadenflächen, bzw. beim Anstieg der Außentemperatur werden die Lüftungselemente wieder geschlossen und der Sonnenschutz fährt automatisch herab.
3) Sanitär
Die Wasserversorgung erfolgt aus dem öffentlichen Netz der Stadt Wien. Für den Bereich Erdgeschoss Küche und Restaurant sowie für die Sanitäreinrichtungsgegenstände in den Bürogeschoßen wird eine zentrale Warmwasserbereitung vorgesehen. Unterstützend zur Fernwärmeversorgung werden Solarkollektoren als Energiequelle für die Warmwasserbereitung herangezogen.
4) Beleuchtung
Im gesamten Objekt wird die Beleuchtung zonenbezogen strukturiert, sowohl was den Einsatz der Beleuchtungsstärken anbelangt, aber auch den Einsatz der Leuchtmittel. Ein auf das Notwendige beschränktes Grundlicht für Orientierung in den Erschließungsbereichen und Reinigung in allen Bereichen wird kombiniert mit effizienter arbeitsflächennaher Einzelbeleuchtung mit Dämmerungs- und Bewegungssensor. Für andauernd notwendige Ausleuchtung bzw. für Bereiche mit hohem Verbrauch soll in diesen Abschnitten die höhere Investition von LED-Systemen angestrebt werden, um die Betriebskosten effizienter gestalten zu können.

FASSADENKONZEPT:
Die Fassaden sind als zweischaliges System angelegt. Gedämmte massive Brüstungen und Elementfassadenteile mit Wärmeschutzverglasungen bilden die thermische Hülle des Gebäudes. In die Elementfassade sind öffenbare Einheiten integriert, welche die bereits erwähnte natürliche Lüftung bzw. Nachtlüftung ermöglichen. Die Elementgrößen folgen dem Achssystem des Gebäudes. Die Außenhaut besteht aus hinterlüfteten Prallscheiben für den dahinterliegenden Sonnenschutz in Form einer vorgehängten einschaligen Verglasung. Die Geometrie dieser Elemente koppelt sich vom rationalen Raster des Gebäudes ab und zeichnet eine abstrakte Gliederung auf die Fassade, die den Gesamteindruck der spiralförmigen Baukörperausbildung unterstützt.

Jahr: 2009
Projekt Ort: Wien 10 (AT)
Nutzung: Bürogebäude
Bauherr: ÖBB Infrastruktur Bau AG, Wien
Leistungsumfang: Wettbewerbsbeitrag
Projektteam: Pichler & Traupmann Architekten ZT GmbH: Christoph Degendorfer, Mario Gasser, Sandy Panek, Peter Schamberger, Jürgen Schneeberger
Planungspartner: obermoser arch-omo zt gmbh, Innsbruck
Planungsbeginn: 2009
Bruttogeschossfläche: 62271 m²