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PSLA ARCHITEKTEN

Stadthaus Neubaugasse

Simone Bossi
Simone Bossi
Ort
Wien
Gebäudekategorie
Einfamilien-, Reihen-, Wochenendhäuser
Bauvorhaben
Neubau
Jahr der Fertigstellung
2023
Material Fassade
Putz
Das Haus ist in einem 7 m breiten und 70 m langgestreckten Innenhof im historisch gewachsenen Zentrums Wiens im Bezirk Neubau situiert. Das Gebäude ist als eine Erweiterung eines bestehenden Hauses aus der Gründerzeit für eine Familie vorgesehen und ist mit einem Abstand von 60 m von der Neubaugasse vom Stadtraum aus nicht einsichtig.
Die umgebende Hofbebauung besteht aus schmalen, langgestreckten, meist 2 geschossigen und einseitig orientieren Lager- bzw. Werkstätten, die teilweise zu Wohnungen umfunktioniert worden sind; diese werden jäh durch höhere Bebauungen aus der Gründerzeit unterbrochen.

Der stadträumliche Charakter des Innenhofs als lang bewährte kleinteilige lebenswürdige Oase, als eine Art Modifizierung des anonymisierten Lebens im Stadtraum wurde maßgebend für eine typologische Neuordnung des Begriffes Stadthaus bzw. einer „höflichen“ Revitalisierung einer Lebensform mitten im Herzen der Stadt für die Konzeption des Projekts herangezogen.

Ein solches Einfamilienhaus ist nicht gleichzusetzen, mit einem Haus auf grüner Wiese, es ist eine Art innerstädtisch verdichtete Mischform aus Garten und Haus: welche ähnlich einer Ruine den Garten als Bestandteil des Gebauten durchgehend mit-denkt.

Sämtliche Funktionen werden bewusst nicht mehr durch klare Abgrenzungen voneinander definiert, sondern stehen in einem fließenden Übergang zueinander und werden in einem zusammenhängenden Raumkontinuum stark mit einander verschränkt und ständig auf die Gartenflächen hinaus erweitert.

Das Gebäude befindet sich auf dem Grundstück einer ehemals abbruchsreifen Lagerstätte. Es ist entlang einer südseitigen Feuermauer mit einer Höhe von 11 m und Länge von über 60 m positioniert. Ähnlich eines Walls ist das Haus mit einer Breite von ca. 4,6 m und einer Länge von 24 m Richtung Osten stark von 12 m auf 3,4 m terrassiert. Eine einläufige, vom Garten im Erdgeschoß aufsteigende, Stahlstiege verbindet wie eine Flugzeugstiege alle Terrassenflächen mit einander.

Mit einer Nutzfläche von 165 m² wird auf mehr als 1/3 des zulässig bebaubaren Volumens zugunsten einer verträglichen Massstäblichkeit und einer Grüngestaltung der Terrassen im Hof verzichtet. Die gesamte bebaute Fläche des Hauses wird durch Retentionsdächer und intensiv begrünte Passagen auf allen Ebenen kompensiert. Der alte asphaltierte Hofbelag wird abgetragen und durch versickerungsfähige Pflasterung und Sickergruben / Beetflächen erneuert und stellt so auch eine Erweiterung der neugestalteten Neubaugasse in den Hinterhof dar.

Um eine rein einseitige Orientierung der südlichen Hauptfassade des aus dem langgestreckten Grundstück resultierten schlauchartigen Baukörpers zu vermeiden, wird dieser im Grundriss in einem Raster von 20 quadratischen Feldern unterteilt, deren Vor- und Rücksprünge im Grundriss einerseits und Höhendifferenzen im Schnitt andererseits in unterschiedliche Gebäudehöhen resultierend eine Myriade von Fenstern erzeugen, die den tiefen südseitig orientierten Baukörper west-östlich mit Tageslicht und Durchblicke versorgen.

Die Konglomeration von aneinander gereihten "Türmen“ resultiert im Innenraum in verschiedene Raum- und Geschosshöhen, die durch Lufträume mit einander verschachtelt werden. Das 3 geschossige Gebäude verfügt über 16 verschiedene Raumhöhen, die von 2,10 m bis 6,08 m reichen.
Das bietet eine nachhaltige Flexibilität, die eine innere Verdichtung des Raumangebotes durch unterschiedliche Zwischengeschoße ermöglicht.

Alle 3 Geschoße werden über eine zentrale Stiege erschlossen und verfügen über einen zentralen Badezimmer-Kern, der sich alternativ durch Schiebetüren den benachbarten Nutzungen hinwendet. Die Badezimmer agieren als atomisierte Schalträume; alle Geschoße führen an der östlichen Schmalseite direkt auf Gartenflächen auf Terrassen; im Erdgeschoß sind das Arbeits- und Wohnzimmer angeordnet, das sich vertikal in einem Luftraum zur Galerie im 1. Stock öffnet. Im 1. Stock befindet sich das Spielzimmer der Kinder und im obersten Geschoß das Schlafzimmer der Eltern.

Die Terrassen verfügen an der südlichen Längsseite über Brüstungen, um das Gefühl eines intimen Gartens zu generieren und öffnen sich nur ostseitig kaskaden-förmig den nächstgelegenen tieferen Terrassenflächen durch sicht-durchlässiges Gitterrostgeländer. Auf den insgesamt 132 m² großen Terrassen sind Bäume, strauchartige wasserspeichernde Bepflanzungen, Rasen und vertikale Grünflächen vorgesehen, die auf das Mikroklima des Hauses und des Innenhofs kühlend einwirken werden. Alle bestehenden Bäume im schmalen Bauplatz wurden trotz Erschwernisse der Baustelleneinrichtung unversehrt erhalten.
Die durch das terrassierte Haus freigelegte benachbarte Feuermauer wird vertikal begrünt.

Um eine maximale Nutzfläche aus dem schmalen Baukörper zu generieren, besteht das Gebäude aus einer Hybridbauweise aus Hohllochziegeln (Feuermauer seitig) und reiner Stahlbetonscheibenbauweise mit minimalen Wandstärken von 15 cm und Deckenstärken mit 18 bzw. 20 cm. Die Fenster und alle Öffnungen in den Stahlbetonscheiben sind ähnlich einem Schachbrett um die Ecke versetzt angeordnet. Der konstruktive Rohbau bildet somit den Endzustand der Raumeinteilungen und Fensteröffnungen ab. Dadurch konnte gänzlich auf Vorsatzschalen und Stützenkonstruktionen im Innenraum verzichtet werden. Die Hälfte der Wandflächen bleiben Beton auf Sicht, die Ziegelwände an der Feuermauer folgen ziehharmonika-haft dem Raster des Gebäudes und wurden mit feuchteregulierendem Gipsputz versehen.

Die Stahlbeton Deckenuntersichten bilden offene Speichermassen. Sämtliche Fenster und verglaste Fassadenelemente wurden putz-außenseitig flächenbündig ausgeführt, der Innenraum wird bis auf letzte Zentimeter in die Fensterleibungen erweitert; sämtliche südseitigen großen Verglasungen werden als fixe Fassadenelemente ausgebildet, die öffenbaren Fenster und Türelemente werden in den Rücksprüngen und auf den ostseitigen Terrassentüren als „Kiemen“ realisiert.
Um die Feingliedrigkeit des Hauses entsprechend des Grundrasters auch in der Erscheinung der Fassade abzubilden, wird diese alternierend in horizontalem bzw. vertikalem Besenstrich verputzt und geht farblich ein Ensemble mit den benachbarten Altbauten ein.

Bei der Detailgestaltung von Attika-bzw. Brüstungen wurde auf die Ausführung von Spenglerarbeiten bewusst verzichtet: der vertikal geführten Fassadenelemente in Putz schließen dadurch unvermittelt mit dem Himmel ab. Genauso wurden die Pfosten-Riegel-Fassaden und Fensterelemente so mit dem Rohbau abgestimmt, dass für die Bewohner von innen betrachtet keine Fensterrahmenkonstruktionen ersichtlich sind.