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kister scheithauer gross

Bernhard-Nocht-Institut, Hamburg

Ort
Hamburg
Gebäudekategorie
Labor-, Forschungsgebäude
Bauvorhaben
Neubau
Jahr der Fertigstellung
2009
Material Fassade
Mauerwerk
Architektenpreis
2. Preis Architekturpreis BDA Hamburg 2008
Ein markanter Laborneubau des Architekturbüros kister scheithauer gross architekten und stadtplaner erweitert das renommierte Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg. Das Bestandsgebäude des Tropeninstituts entstand zwischen 1912-14 als dreiteiliger Klinkerbau mit Laboratoriumstrakt, Kranken- und Tierhaus nach Plänen des Architekten Fritz Schuhmacher. Um weiterhin Forschungen auf höchstem Niveau zu gewährleisten, wurde 2002 ein beschränkter Architektenwettbewerb zum Neubau eines Forschungstrakts mit Hochsicherheitslaboren ausgeschrieben, aus dem der charakteristische Entwurf des Büros kister scheithauer gross als Sieger hervorging.
Auf dem spitzwinkligen, westlich des denkmalgeschützten Altbaus gelegenen Grund-stück ist das neue Forschungslabor entstanden. Als Solitär thront der rote Klinkerbau in prominenter Nachbarschaft auf der Geestkante. Der vorhandene Schumacherbau bildet für die Baukörpergruppe aus großformatigen, eng aneinander gekoppelten Alt-bauten entlang dieser Kante bereits seinen eigenen baulichen Abschluss und verlangte nicht nach Ergänzung des in sich geschlossenen Ensembles. So wird der Neubau als eigenständiger Baukörper aufgefasst, der der Kette von Altbauten vorgelagert ist. Mit seinen beiden leicht nach innen geneigten Stirnwänden lehnt sich der Solitär nirgendwo an, sondern balanciert sich selbst aus.
Die Wände des Neubaus sind in Anlehnung an die umgebenden Bauten mit rotbuntem Klinker bekleidet. Da das Gebäude städtebaulich als freistehende Bauskulptur auf-gefasst wird, setzt sich das Klinkermaterial der Wände auch im Dachbereich fort. Zwei gegenläufig geneigte Dachflächen nehmen den Dialog mit der expressiven Dachland-schaft des alten Bernhard-Nocht-Instituts auf. Dabei bleibt die höchste Bauwerkskante des Neubaus knapp unter der Firstlinie des Altbaus und gibt den berühmten Turm des Tropeninstituts auf weite Sicht frei.
Neben der homogenen allseitigen Klinkerbekleidung der Außenflächen liegt das besondere gestalterische Thema in der Ausführung der Fenster. Alle Fenster der Obergeschosse sind zweiteilig und bestehen aus einer großen, horizontalen Öffnung, die die Blickbeziehung und den Lichteinfall gewährleistet, und einer zusätzlichen höher gelegenen „Lichtleiste“. Die Fenster sind nicht als durchgehende Bänder, sondern als in der Fassade tief gelegene, plastisch wirksame Einkerbungen der Außenhaut aus-gebildet.
Auf der Südseite mit Blick zur Elbe ist das plastische Prinzip der Einkerbung auf einer größeren Fläche aufgehoben: Eine zweigeschossige Loggia lenkt die Sicht auf die ge-klinkerte Leibungsflächen des Einschnitts. Auch an anderer Stelle, in der zum Altbau gewandten großen Stirnfläche, ist das Prinzip der Einkerbung aufgehoben. Hier ist das Haupttreppenhaus mit einer großflächigen Glasfassade in Pfosten-Riegel-Konstruktion versehen, so dass der gesamte Treppenhausraum eine zweite geschlossene „Stadtloggia“ darstellt. Neben der ermöglichten Blickbeziehung zwischen Alt- und Neubau spannt sich hier zwischen den beiden Gebäuden eine zweigeschossige, gläserne Brücke, die zugleich den Hauptzugang des Neubaus darstellt.
Die innere Organisation des Neubaus sieht eine Trennung zwischen Forschungslaboren und Tierhaltung vor. Während sich in den fünf oberen Geschoßen Laborräume nach höchsten Sicherheitsstandards befinden, nehmen die beiden unterirdischen Geschosse experimentelle Tierhaltung in der Ebene 1 und die Tierzucht im zweiten Untergeschoss auf. Aus hygienischen Aspekten wird eine Durchmischung oder Kreuzung beider Nutzungen vermieden, so dass von den zwei Aufzügen der erste ausschließlich die Obergeschosse erschließt, während der zweite vom Erdgeschoss nur die unteren Ebenen versorgt. Das Erdgeschoss des Neubaus fungiert dabei als Verteilerebene. Hier ist kein öffentlicher Zugang vorgesehen, vielmehr findet aus Sicherheitsgründen der Zugang von Personal und Besuchern ausschließlich über die Brücke zum Altbau – über die Verbindung von alt und neu - statt.