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Backstage

Wie sieht ein typischer Tag in Ihrem Büro aus?

Foto: Helin Bereket

Im Moment gibt es nicht wirklich einen  typischen Tag, bedingt durch die Covid-Situation. Und auch ansonsten richtet sich der Tag nach den Anforderungen der Arbeit, die man gerade zu tun hat und nicht so sehr nach festen Regeln. Natürlich sind die Bauleiter relativ früh da und passen sich damit den Gegebenheiten auf der Baustelle an, die Kreativen möglicherweise erst später und dafür länger. Bonmont in diesem Zusammenhang kürzlich von einer Auftraggebervertreterin: „Sie können nicht erwarten, dass wir nach 16.00 noch zur Verfügung stehen“. Da beginnt in der Regel bei uns der Nachmittag. Konzentrierte Projektarbeit, aber auch projektübergreifende Arbeit wie Austausch, Kommunikation zu bestimmten Punkten und Abstimmungen, sind die Dinge, die den hauptsächlichen Tag ausmachen, Rückzug und Kommunikation. Diese unterschiedlichen Pole müssen sich auch im Raumangebot an die Mitarbeiter*innen niederschlagen. Und wenn es möglich ist, verlagern wir Pausen oder eine Besprechung nach draußen. Was einen besonderen Reiz hat.

Welche Werte sind Ihnen als Bürogemeinschaft besonders wichtig?

Foto: Helin Bereket

Toleranz, Haltung, Teilhabe, Nachhaltigkeit und Ästhetik. Wenn man betrachtet, was in unserer Gesellschaft zurzeit passiert, dann steht Toleranz an erster Stelle. Bauen hat viel mit Veränderung zu tun. Wir sind darauf angewiesen, dass uns Toleranz entgegengebracht wird. Immer wenn man irgendwo baut, verändert sich für jemanden etwas und irgendjemand ist vielleicht nicht happy darüber, dass es sich verändert. Gleichzeitig fordern die Prozesse Toleranz von uns. Das ist ein wichtiges Thema.
Ein weiterer wichtiger Wert für uns ist Haltung. Wir wollen mit unserer Architektur zu bestimmten Alltagsthemen Haltung beziehen und Häuser zu bauen, an denen ein großer Teil der Gesellschaft teilhaben kann. Wir wollen für viele Menschen bauen, nicht nur für einen kleinen Teil.
Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Punkt. Wir bauen nicht nur für die Generation heute, sondern wir bauen für die nächste und übernächste Generation. Durch unterschiedliche Kriterien, ob das ein bestimmter sozialer Nutzungsmix ist, der Nachhaltigkeit ausmacht oder die Bauweise, Vermeidung von bestimmten Baustoffen, Förderung anderer Baustoffe, weg von fossilen Energien, die Betrachtung von Bestand als Ressource und nicht als Müll usw. 

Wie begegnen Sie zukünftigen Anforderungen an die Arbeitswelt?

Foto: Helin Bereket

Wir haben wir eine Zeit hinter uns, die ganz gut geeignet ist, um zu testen, wie offen man ist und wie man mit Veränderungen umgeht. Ich halte es dabei mit Adolf Loos: Eine Veränderung, die keine Verbesserung mit sich bringt, ist Verschlechterung. Wo liegen die Veränderungen? Zum einen im Fortschreiten der Digitalisierung des Arbeitsalltags und zum anderen in der Priorisierung und Aneignung von gesellschaftlichen Themen als künftige Bedarfe. Wir haben festgestellt, dass wir uns nicht unbedingt immer physisch treffen müssen, um miteinander kommunizieren zu können. Das schafft Lebensqualität. Und das andere, was sich verändern wird, ist die Veränderung durch Building Information Modeling (BIM). Nicht nur als CAD-Standard, sondern ganz allgemein als Projektmanagementtool. Wir haben zwar eine eingeführte Arbeitsstruktur und ein eigenes Qualitätsmanagement, aber wir werden uns über dieses Tool BIM noch strukturierter aufstellen.
 
Als Architekten sind wir aber auch der Schönheit verpflichtet. Ästhetik finde ich einen hohen Wert. Das darf sich alles nicht ausschließen. Nachhaltigkeit ist hier ein gutes Beispiel. Früher empfanden wir Gestalter nachhaltige Gebäude häufig als hässlich. Eine Debatte über die Ästhetik der Nachhaltigkeit hat hier geholfen.

Warum fühlen sich Ihre MitarbeiterInnen bei Ihnen wohl?

Foto: Helin Bereket

Weil wir ein Haufen Gleichgesinnter sind. Wir haben ein Ziel, das uns verbindet. Es gibt eine große Hilfsbereitschaft und großen Willen zum Austausch zwischen allen. Wir versuchen das Arbeiten so zu gestalten, dass es Spaß machen kann. Zum Beispiel mit flexiblen Arbeitszeiten oder mit einem eigenen Mobilitätskonzept, indem die Möglichkeit besteht, übers Büro ein Fahrrad anzuschaffen oder eine BVG-Monatskarte. Für erfolgreiche Abgaben gibt es ein gemeinsames Essen, die Kaffeemaschine ist gut, in der Küche gibt es Obst und Nervennahrung. Es sind doch oft die Kleinigkeiten, die es ausmachen. Aber im Wesentlich ist es das eigenbestimmte, eigenverantwortliche Arbeiten, dass sich jeder seine Arbeit selbst einteilen kann, sofern die Leistungsziele erfüllt werden.

Sie sind ja Architekten. Wie wichtig ist die Gestaltung Ihres Büros für Sie?

Foto: Helin Bereket

Sehr wichtig. Das Büro ist die gebaute Visitenkarte. Man sollte anhand des Büros sehen, was das Unternehmen ausstrahlt. Da bin ich jetzt vielleicht mehr Markenbotschafter als Architekt. Jemand der zu uns ins Büro kommt, muss sofort sehen, wie wir ticken, was wir atmen, einen Eindruck in die Arbeitsweise kriegen. Gleichzeitig, auch wenn es eher einen Arbeits-, einen Werkstattcharakter hat, muss es repräsentativ sein. Es müssen die Firmenfarben auftauchen, man wird herzlich empfangen, weil wir mit Spaß und auf Augenhöhe mit unseren Kunden arbeiten. Und genauso wollen wir das im Büro haben. Insofern sind die Büroräumlichkeiten Abbild der Werte, die wir verkörpern.

Wie würden Sie Ihre Unternehmenskultur beschreiben?

Foto: Helin Bereket

Auf jeden Fall als wertebasiert und open-minded. Deswegen gehen wir davon aus, dass neue Kolleginnen und Kollegen zu uns kommen, die mit offenen Augen und wachem Geist durch die Welt laufen, weil uns das wichtig ist. Eine Unternehmenskultur, die zum einen drauf basiert, gute Architektur zu schaffen, und zum anderen sagt: Wir verbringen dort einen Großteil unserer Lebenszeit. Und in der Zeit wollen wir auch Spaß haben.

Welche Entwicklungsmöglichkeiten gibt es für die Mitarbeiter?

Foto: Helin Bereket

Viele. Genau diese Open-mindedness führt ja dazu. Das bedeutet, dass wir überlegen, wie man die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend ihrer Kenntnisse weiterschulen und weiterbilden kann. Über eine Projektleitung und Expertencluster bis hin zur mittlere Managementebene oder noch darüber hinaus. Wenn jemand Lust darauf hat, mehr Verantwortung zu übernehmen, unterstützen wir das und fördern sie oder ihn entsprechend.

Sehw ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Was hat das im Büro geändert?

Foto: Helin Bereket

Vieles. Wenn man statt 5 Projekten wie früher jetzt 20 Projekte gleichzeitig bearbeitet, setzt das voraus, dass man analog zur Aufgabenstruktur die Arbeitsstruktur verändert. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Auch wenn es immer wieder heißt, alle Mitarbeiter*innen arbeiten von zu Hause, suchen wir gerade ein größeres Büro. Wenn die Mitarbeiter*innen mittelfristig bis langfristig mehr, oder nur teilweise von zu Hause arbeiten werden, brauchen wir mehr Kommunikations- und Rückzugsflächen auch im Büro. Das heißt, die Büroräume werden sich durch diese Erfahrungen verändern, die wir jetzt durch die Expansion und die Pandemie gemacht haben.

Spielt Nachhaltigkeit eine Rolle in Ihrem Büro und Büroalltag?

Foto: Helin Bereket

Wir versuchen mit den gleichen Säulen zu arbeiten, die es bei der Gebäudebetrachtung gibt. Auf der einen Seite sozial, das heißt mit einem hohen Nutzungsmix, mit großer Vielfalt & mit einer großen Diversität von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus allen Ländern (derzeit 16 Nationen), die bei uns tätig sind. Durch Diversität nachhaltig sozusagen. Dann ökonomisch durch nachhaltige Prozesse mit klaren Vorgaben für alle Prozessbeteiligten. Und ökologisch sind es die kleinen Dinge wie Müll trennen, 100% Ökostrom verbrauchen usw. Wenn wir ein neues Bürogebäude für uns selbst bauen würden, dann würden wir das aus nachhaltigen Materialien mit wenig Energieverbrauch tun. Das ist Teil dieser Visitenkarte. Da Nachhaltigkeit Teil unserer DNA ist, möchten wir sie auch gerne in unseren Büroräumen gespiegelt sehen.

Interview mit Xaver Egger, Berlin im April 2021
Fotos von Ori Jauch