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VON M

Gemeindehaus und Christuskirche, Kehl

Zooey Braun
Zooey Braun
Ort
Kehl
Gebäudekategorie
Kirchen, Klöster, Moscheen, Synagogen
Bauvorhaben
Erweiterung
Jahr der Fertigstellung
2018
Material Fassade
Mauerwerk
Organisatorisch und wirtschaftlich bedingte Umstrukturierungen machten es notwendig, die Kirchengemein- de in Kehl von vier kleinen Pfarrgemeinden auf eine Kirchengemeinde mit nur noch drei Kirchen und zwei Gemeindezentren zu reduzieren. Man entschloss sich dazu, die älteste Kirche in Kehl im Stadtteil Kehl-Dorf als zentralen Ort der Kirchengemeinde weiter zu entwickeln. Die bereits dort befindliche Verwaltung sollte durch den Neubau eines Gemeindehauses und die Sanierung der 1822 von Hans Voss, einem Weinbrenner-Schüler, erbauten Christuskirche zu einem multifunktionalen Gemeindezentrum erweitert werden. Die Kirchengemeinde wollte darüber hinaus die Kirche neben Gottesdiensten auch für Veranstaltungen unterschiedlichster Art öffnen, um damit zum einen den Erhalt des Gebäudes zu sichern, zum anderen aber auch den Kirchplatz in Kehl-Dorf zu einem einladenden öffentlichen Ort zu machen, der zusammen mit der Kirche den Stadtraum prägt und als Identifikationspunkt im heterogenen Umfeld wahrgenommen wird.

Die Gesamtkonzeption zielt darauf ab, den Bereich zwischen Friedhofstrasse und Kirchgasse neu zu ordnen, öffentliche Räume zu schaffen und die Kirche in ihrer Präsenz im Stadtraum zu stärken. Das neue Gemeindezentrum zieht sich als kompakter Baukörper auf den Bereich nördlich der Christuskirche zurück, belegt die Grundstücksgrenzen entlang der Pfarr- und Kirchgasse und definiert damit den vorhandenen Strassenraum neu. Im Westen des Grundstückes entsteht im Zusammenspiel von Gemeindezentrum, Christuskirche und Haus der Kirche der neue Gemeindeplatz. Die Freifläche fun- giert als Bindeglied zwischen den drei Bauten der Kirchengemeinde. Sowohl der Haupteingang des Hauses der Kirche als auch des Gemeindezentrums werden direkt von dort erschlossen. Der wieder hergestellte, ursprünglich vorhandene, Westeingang der Christuskirche ermöglicht die logische Einbindung derselben in das Gebäudeensemble, so dass eine campusartige Situation mit einer gemeinsam nutzbaren Aussenfläche entsteht. Im Süden befindet sich der Kirchplatz mit dem darauf zentral ausgerichteten Haupteingang der Christuskirche. Im Zuge der Sanierung und städtebaulichen Neuordnung wurde der Platz zur Friedhofstrasse hin geöffnet, die unübersichtliche Rampenanlage am Eingang wurde zurückgebaut und durch ein neues Portal ersetzt.

Die räumliche Konzeption des Gemeindehauses ähnelt der eines Kreuzganges, dessen zentrales Element allerdings kein Innenhof, sondern der Veranstaltungssaal der Gemeinde darstellt. Durch eine größere Raumhöhe und ein seitliches Oberlicht, das der Belichtung und Belüftung dient, ist dieser zentrale, stützenfreie Gemeindesaal von außen abzulesen. Rund herum ist die Erschliessung und ein entlang der geschlossenen Fassade verlaufendes Band von Nebenräumen angeordnet, welche durch zwei große Fensterflächen unterbrochen wird, die die Belichtung sowohl der Besprechungs- und Gruppenräume als auch der Flurzone gewährleisten. Über Faltwände lassen sich der Veranstaltungssaal und die beiden angrenzenden Gruppenräume in zahlreichen Kombinationen zusammenschalten. Somit wird eine maximale Flexibilität in der Nutzung gewährleistet. Bei größeren Veranstaltungen fungiert zudem das längs entwickelte Foyer des Ge- meindehauses, mit Haupteingang zum Gemeindeplatz, als Bindeglied zwischen Aussenraum, Gemeindesaal und Kirchenraum. Es entsteht dadurch ein zusammenhängendes Raumkontinuum mit wechselnden Qualitäten, das Neu und Alt sowie Innen- und Aussenraum miteinander verbindet und darüber hinaus im Alltag eine Beziehung zwischen den beiden Gebäudeteilen herstellt. Ganz im Sinne von Weinbrenners Klassizismus wird die Architektur des Gemeindehauses von einer durchgängigen, klaren geometrischen Ordnung, präzisen Details, dem Umgang mit Licht und einem puren und nachvollziehbaren Materialeinsatz bestimmt. Der Neubau wurde mit mineralisch gedämmten Hochlochziegeln gemauert. Die Struktur des monolithischen Ziegelmauerwerks bleibt als technisches Ornament sichtbar, da die Steine teilweise nur mit Kalk geschlämmt, teilweise glatt gespachtelt wurden. So ergibt sich im Zusammenspiel der Ziegel, ihrer Endbehandlung und der wechselnden Lichtsituationen im Haus, ein lebendiges Spiel unterschiedlich strukturierter Oberflächen. Der Boden des Gemeindehauses wurde in allen Bereichen als geschliffener Zementestrich ausgeführt, dessen sichtbarer Zuschlag aus Rheinkies eine mit dem Ort verbundene Identität und Farbigkeit verleiht.

Die grosse Spannweite des Veranstaltungssaals wird mit einem System aus Trägern und Deckenelementen aus Sperrholz realisiert. Die Holzoberflächen wurden hell lasiert und an die Farbigkeit der geschlämmten Wände angeglichen. In Kombination mit den seitlich angeordneten Oberlichtern ergibt sich ein reizvolles Spiel der Konstruktion und Struktur mit dem über den Tag wechselnden Lichteinfall. Bei Nacht kommuniziert das Gebäude sowohl über die grossen Fenster, als auch über den aus dem Dach heraustretenden „Leuchtkörper“ mit seiner Umgebung.

Die Sanierung der alten Substanz der Kirche verfolgte das Ziel, die ursprüngliche Gestalt und Farbigkeit der klassizistischen Kirche zu rekonstruieren, um dem Gebäude seine unverfälschte Qualität und Identität zurückzugeben. In Kombination mit den neuzeitlichen Eingriffen entstand so ein neuer Ort, der sowohl hinsichtlich Gestaltung als auch in seiner Nutzung Tradition und Zukunft miteinander verbindet. Die Reaktivierung des Westeingangs bedeutet funktional die Anbindung der Christuskirche an den Gemeindeplatz, architektonisch die für einen authentischen Raumeindruck notwendige Symmetrie innerhalb eines klassizistischen Raumgefüges. Um mit einem multifunktionalen Kirchenraum unterschiedlichsten Nutzungen, vom kleinen und grossen Gottestdienst, der Kinderkirche, bis zum Gemeindefest und Kirchenkonzert, gerecht zu werden, wurden die bestehenden Kirchenbänke zugunsten einer flexiblen Bestuhlung aufgegeben.

Weiter wurden ebenfalls alle Prinzipalien als mobile „Möbelstücke“ konzipiert um eine maximale Flexibilität des Kirchenraumes zu gewährleisten. Das wichtigste neue Element ist allerdings eine in der Längsachse der Kirche verschiebbare und aufklappbare Wand, die unterschiedliche Raumzuschnitte und -proportionen, sowie die Abtrennung kleinerer Rückzugsbereiche ermöglicht und damit die vielfältige Nutzung der Kirche wesentlich unterstützt.
Alle Einbauten wurden konsequent in Eiche Natur gehalten und gehen damit in einen feinen Kontrast zum Bestand, der in seine helle, monochrome Farbgebung zurückgeführt wurde. Der vorhandene, nicht originale, Boden der Kirche, wurde zurückgebaut und durch eine stufenlose Ebene ersetzt. Der neue Bodenbelag, ebenfalls ein geschliffener Zementestrich mit farbigen Zuschlag, setzt sich vom Kirchenraum aus durch den Eingangsturm bis nach Aussen in Form einer Eingangsrampe fort.

Gemäß der ursprünglichen Konzeption wird der Kirchenraum über die grossen, mit Klarglas versehenen Fensteröffnungen mit Tageslicht geflutet. Die hellen und matten Wandoberflächen haben einen stark streuenden Charakter und führen im Raum zu einer gleichmässigen und hellen Ausleuchtung. In den Abendstunden erfolgt die Beleuchtung über abgependelte Leuchten aus Mattglas. Die Leuchten lassen sich durch ihre flexible Schaltbarkeit gut an die jeweilige Raum- konfiguration anpassen.