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IFUB*

Baugruppe D2

Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses für eine Baugruppe
Thomas Straub
Thomas Straub
Ort
Berlin-Neukölln
Gebäudekategorie
Wohnen
Bauvorhaben
Neubau
Jahr der Fertigstellung
2022
Material Fassade
Holz, Keramik
Wohnen in Berlin.

Irgendwo zwischen dem täglichen Wahnsinn von Immobilienhaien, Großinvestoren und Gentrifizierung hat sich dort in den letzten Jahrzehnten ein populäres Alternativmodell - die Baugruppe - entwickelt. Die aus 15 Familien bestehende Baugruppe D2 hatte das Glück eine der letzten Baulücken in zentraler Lage in Neukölln zu ergattern.
Ein gut in die Stadt eingefügtes, ökologisches aber dennoch modernes und freundliches Haus mit viel Grün und Gemeinschaftsflächen im Hof und auf dem Dach war die Bauaufgabe für das IFUB*.


Baugruppen sind in Berlin eine sehr populäre Form, wenn es um die Schaffung von neuem Wohnraum geht. Mehrere Parteien schließen sich zusammen, bündeln ihre gemeinsamen Interessen und Finanzen und bauen gemeinsam ein oder mehrere Häuser. Das Schöne an Baugruppen? Die zukünftigen Eigentümer*innen sind am Prozess von Anfang an beteiligt und können auch auf Konzeption und Gestaltung Einfluss nehmen.

Die Baulücke in der Donaustraße 2 war nicht voll bebaut als diese nach der Geschäftsaufgabe einer dort ansässigen Werkstatt- und Garagenvermietung an die aus mehreren jungen Familien bestehende Baugruppe verkauft wurde. Die Planungsaufgabe war dabei nicht wenig komplex. Das sehr langgezogene Grundstück hatte im Norden zur Straße lediglich eine kleine bebaubare Fläche, aber auch einen großen, schmalen Innenhofbereich, der ebenso genutzt werden sollte.Aufgrund des hohen Grundstückspreises und der angespannten Wohnungslage in Berlin war die maximale Ausnutzung des Grundstücks eine Grundvoraussetzung.
Der baurechtlich vorgegebene Lückenschluss des Blockrands liegt direkt am südlichen Ende der sehr langen Pannierstraße an einer kleinen T-Kreuzung. Als Reaktion hierauf wurde das Vorderhaus mit einem Hochpunkt gestaltet, der auch die straßenständigen Giebel der Nachbargebäude optisch aufgreift und die unterschiedlichen Traufhöhen der rechts und links anschließenden Nachbargebäude moderiert. Das Gebäude wurde somit harmonisch in den Stadtraum eingefügt wozu auch die städtische Lochfassade mit dem abgesetzten Sockelgeschoss beiträgt. Dieses beherbergt zwei Gewerbeeinheiten zur Belebung des Stadtviertels, wobei die farbenfroh glasierten Klinkerriemchen auf die Neuköllner Fassaden der 70er Jahre Bezug nehmen und bereits optisch auf das Gebäude im Hinterhof hinweisen.

Das Vorderhaus hat auch zur Rückseite großzügige nach Süden ausgerichtete Balkone, die bereits auf eine Besonderheit hinweisen. Alle Wohngeschosse des Vorderhauses sind so ausgelegt, dass diese entweder als eine große oder zwei kleinere Wohnungen genutzt werden können.
Die Wandlungsfähigkeit ist einer der wesentlichen Parameter in der Gestaltung von dauerhaften und langlebigen Gebäuden.
Deshalb sind die Wohnungen im Vorderhaus so ausgelegt, dass diese auch nachträglich sehr einfach geteilt bzw.
zusammengelegt werden können.


Das Gartenhaus im Hinterhof wurde an die dort vorhandene Brandwand angebaut und zur Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen in der Höhe gestaffelt. Die nach Süd und Ost orientierten Rücksprünge wurden als Terrassen gestaltet und sorgen so für maximale Aufenthaltsqualität im Freien.

Der Blick vom Vorderhaus auf das Gartenhaus zeigt - auch brandlastfreie Wände müssen nicht unansehnlich sein! Das an der Stirnseite des Gartenhauses gelegene, offene Sicherheitstreppenhaus muss aus Brandschutzgründen von nichtbrennbaren Baumaterialien umgeben sein. Mit diesem Kniff konnten Aufstellflächen für die Feuerwehr komplett vermieden und der Hof als Garten gestaltet werden. Auch Fahrräder und Mülltonnen wurden im Souterrain untergebracht und der Hof so komplett freigehalten.

Die nicht brennbaren farbigen Klinkerriemchen sprießen deshalb aus dem Sockelgeschoss des Vorderhauses über die gesamte Fassade im wahrsten Sinne des Wortes gen Himmel.


Aufgrund der baurechtlichen Einschränkungen des Volumens ist die Grundrissgestaltung im Gartenhaus deutlich heterogener als im Vorderhaus. Ein bunter Wohnungsmix von der kompakten 1,5 Zimmer Wohnung bis zur 6 Zimmer Maisonettewohnung sorgte dafür die unterschiedlichen Wünsche der neuen Bewohner*innen abbilden zu können. Ein besonderes Highlight - die Wohnungen im Erdgeschoss haben eigene kleine Gärten anstatt Balkonen.
Eine Besonderheit sind die unterschiedlichen Fassadenmaterialien.


Die Fassade des Vorderhauses wurde aus Lärchenholz gestaltet, welches aufgrund fugenloser Verlegung und großer Brettbreiten die Flächigkeit der angrenzenden Putzfassaden wiederspiegelt, aber gleichzeitig auf die für das Viertel eher ungewöhnliche Fassadenkonstruktion in Holzsandwichbauweise hinweist. Kombiniert wurde dies mit weiß lasierten Holzfenstern und Blecharbeiten aus Titanzink.
Die glasierten Klinkerriemchen wurden von einer lokalen Manufaktur aus dem Berliner Umland bezogen. Als verbindendes Element der Fassaden beider Gebäude auf dem Grundstück wurde das Sockelgeschoss des Vorderhauses sowie die Treppenhauswand und der Sockel des Gartenhauses in einer Grafik aus fröhlichen, bunten Farben gestaltet.

Das Sicherheitstreppenhaus hatte als Auflage nicht nur eine nichtbrennbare Gebäudehülle Richtung Treppenhaus, sondern eine nichtbrennbare Fassadenhaut für das gesamte Gebäude. Deshalb wurde neben den Fliesen eine Fassade aus unbehandeltem und damit zu 100% recyclebarem Wellblech aus Aluminum gewählt. Die Außenwand selbst, ebenso wie die Balkone und Fenster war in Holz zulässig, womit die Gestaltung von Vorder- und Gartenhaus nicht nur über Fensterformate sondern auch über die Materialität aufeinander Bezug nimmt. Farbige Stoffmarkisen ergänzen das Bild.

Die Gärten entlang des Gartenhauses sind den davor liegenden Wohnungen zugeordnet. Der zentrale Innenhof zwischen Garten- und Vorderhaus ist der Hausgemeinschaft vorbehalten und hat einen direkt angeschlossenen flexibel nutzbaren Gemeinschaftsraum. Die Abtrennungen der privaten Gartenbereiche wurde bewusst ohne Zäune nur mit Pflanzen gestaltet - die wie alle anderen Pflanzen im gesamten Außenbereich essbare Früchte tragen. Ohnehin wurde jede mögliche vertikale wie horizontale Fläche begrünt was sich aber erst in einigen Jahren in voller Blüte zeigen wird.
Um das Gemeinschaftsgefühl im Haus zu fördern, gibt es für alle Bewohner*innen frei nutzbare Dachterrassen auf beiden Gebäuden mit tollem Ausblick. Von der Dachterrasse des Vorderhauses kann man die komplette Pannierstraße hinunter bis zum Görlitzer Park blicken.


Die Flexibilität der Wohnnutzungen hatte ihren (ökologischen) Preis. Durch die erschwerten Schallschutzanforderungen bei verspringenden Wohnungstrennwänden, wäre es deutlich aufwändiger und teurer geworden die Tragkonstruktion in Holzbau auszuführen. Aus diesen Gründen musste eine Hybridbauweise mit der Tragstruktur in Massivbauweise und der Fassade in Holzbauweise gewählt werden. Dies zeigt sich im zentralen Durchgangsflur der in rohem Stahlbeton belassen, die notwendige Robustheit als meistgenutzter Raum im ganzen Gebäude mitbringt. Die Aufzugtüren tragen die Farben der
Fliesen aus der Fassade ins Haus und sorgen für Farbtupfer auf allen Geschossen.

Damit es schnell geht, gibt es für den zentralen Durchgang im Vorderhaus automatisch öffnende Türen. Die leicht abfallende Durchfahrt führt Räder, Kinderwägen und Rollatoren vorbei an den farbigen Briefkästen auf direktem Weg zu den Stellplätzen im Souterrain des Gartenhauses. Eine Tiefgarage für Autos war Dank der Berliner Stellplatzverordnung nicht notwendig und aus vielen Gründen auch nicht gewünscht. So konnte viel CO2 und Kosten gespart werden und nur deshalb war ein begrünter Innenhof überhaupt erst möglich.


Das haustechnische Konzept
basiert auf einer Abluftwärmepumpe die das Brauchwasser aus der Wärme der Abluft der Wohnungen erzeugt und automatisch über Außenwandluftdurchlässe für die Nachströmung und damit den notwendigen Luftwechsel sorgt. Kombiniert wird das System mit städtischer Fernwärme zur Beheizung und Photovoltaikmodulen auf dem Dach zur Unterstützung des Betriebs der Wärmepumpe.


Die Innenräume der Wohnungen konnten von den Bewohner*innen mitgestaltet werden. Bei den Decken bestand die Wahl zwischen einer günstigeren Ausführung in sichtbarem Beton oder einer verputzten Fläche. Ebenso waren Bodenbeläge, Fliesen und Sanitärgegenstände frei wählbar.