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IFUB*

Casa L

Neubau eines Doppelhauses in Stockdorf bei München
Sorin Morar
Sorin Morar
Ort
Gauting-Stockdorf
Gebäudekategorie
Wohnen
Bauvorhaben
Neubau
Jahr der Fertigstellung
2023
Material Fassade
Holz
Nachverdichtung ist ein immer wiederkehrendes Thema im Aufgabenspektrum des IFUB*. Beim Projekt „Casa L“ galt es den wunderbaren Baumbestand weitestgehend zu erhalten und das strenge Baurecht so gut es geht zu nutzen. Das neue Doppelhaus mit den drei markanten Dächern bietet Platz für zwei Familien mit bis zu fünf Personen in zwei kompakten Haushälften die sich aufgrund schlauer Aufteilung und guter Detaillierung luftig und leicht anfühlen.
Was für ein Baum! Das war einer der ersten Gedanken bei der Ortsbesichtigung. Kein Wunder, dass dieser Baum geschützt war und ist. Das ganze Grundstück war eingewachsen und es war klar - so viel wie möglich des Grüns sollte erhalten bleiben. Leider gab es auch einige kranke Bäume, die genau wie der vorhandene, marode Bungalow nicht erhalten werden konnten. Nicht nur wegen des Baumbestands, auch wegen des Baurechts war das Grundstück nicht einfach zu beplanen. Innerhalb der eng gesteckten Rahmenbedingungen entstand ein sehr kompaktes Doppelhaus für zwei Familien mit drei Dächern, das nicht nur die Regelungen zur Traufhöhe optimal ausnutzt, sondern auch tolle Räume im Inneren bereithält.
Im Luftbild erkennt man den Baumbestand und die eingeschränkten Flächen auf dem Grundstück. Das Haus wurde soweit möglich nach Nord und West positioniert. Somit wurden gut proportionierte Gartenflächen für die beiden Einheiten geschaffen, aber auch Platz für die vorgeschriebenen Stellplätze für Fahrräder und Autos an der Ostseite des Grundstücks. Ergänzend zum Bestandsgrün wurden alle neuen Pflanzen aus heimischen Bäumen und Sträuchern gewählt.
Jede Haushälfte wurde mit einem großen Lichthof geplant, um auch guten Wohnraum in der unteren Etage zu ermöglichen. Die Lichthöfe wurden mit Netzen überspannt, wodurch die ins Untergeschoss verlängerte Holzfassade optisch wahrnehmbar bleibt.
Das Haus wurde in Holzständerbauweise errichtet. Die Gefachdämmung besteht dabei aus Zellulose (recyceltes Zeitungspapier), als Luftdichtheitsebene wurden leimfreie Holzfaserplatten verwendet. Der äußere Abschluss unter der Fassadenverkleidung und die Installationsebene innen wurden mit Holzfaserdämmung ausgeführt. Wärme und Brauchwasser wird mit einer Luft-Wasser-Wärmepumpe mit nicht klimaschädlichem Kühlmittel erzeugt. Als Lüftung wurde lediglich eine Badabluft verbaut. Insgesamt erreicht das Gebäude den KfW 55 Standard.
Die drei Dächer schaffen nicht nur spannende Innenräume, sondern sind auch ideal für die maximale Ausnutzung mit Photovoltaik ausgelegt. Optisch wurde der Dachrand des silbernen Blechdachs hierfür bereits erhöht ausgeführt, um die PV auch gestalterisch zu integrieren. Aus Kostengründen wurde die Ausführung auf die kommenden Jahre verschoben.
Die Fassade aus schwarz lasierten, horizontalen Fichtenholzbrettern wurde mit Sonnenschutzmarkisen in fröhlichem gelb kombiniert. Die silbernen Regenrohre trennen das Haus optisch in sechs Teile.
Bei der Fassadengestaltung wurde auf ein gutes Verhältnis von geschlossenen zu offenen Flächen geachtet. Zur Terrasse auf der Südseite gibt es für jede Hausseite eine große Schiebetüre auf fast der kompletten Breite des Innenraums.
Die Eingangstüren wurden genau wie die Fenster aus weiß lasiertem Fichtenholz erstellt. Das Vordach bildet mit den beiden Eingängen eine Einheit und nimmt auch die Materialität des Hauptdachs als Gestaltungselement auf. Das Glas wurde als Strukturglas gewählt - transluzent, nicht einsehbar und mit einem optischen Effekt der Spaß macht.
Das Netz über den Lichthöfen ist nicht nur besonders lichtdurchlässig im Vergleich zu herkömmlichen Lichtschachtgittern, sondern dient bei schönem Wetter auch als bequeme Liegefläche. Durch die Lichthöfe erhält jede Haushälfte einen guten Aufenthaltsraum und ein Tageslichtbad im Untergeschoss.
Die beiden Haushälften sind im Grundriss fast spiegelgleich. Bei den Materialien für die Innenraumgestaltung konnten die Bewohner*innen jedoch frei wählen. Während sich die westliche Haushälfte für Dielen aus Esche in Kombination mit weiß geölter Fichte für Sockelleisten und Einbaumöbel entschied, fiel die Wahl in der östlichen Haushälfte auf ein Fischgrätparkett aus Eiche und transparent geölte Fichte. In den ansonsten identischen Fluren im Obergeschoss gut zu erkennen.
Die Treppen wurden extrem kompakt um ein Regalmöbel herum geplant. Dieses dient nicht nur als Stauraum sondern ist auch die Tragstruktur der Stufen. Im Haus West komplett aus Fichte weiß geölt und im Haus Ost wieder als Kombination aus Eiche und Fichte.
Die Stufen wurden sehr einfach konstruiert und sind auf seitliche Auflager aufgelegt und verschraubt.
Durch die einfache Stufenkonstruktion wird nicht nur Platz und Material gespart, sondern es fällt auch natürliches Licht ins Treppenhaus.
Das Erdgeschoss ist jeweils als ein großer Raum für Wohnen, Kochen und Essen vorgesehen - zoniert durch eine Stufe, die gleichzeitig im Untergeschoss mehr Raumhöhe für die Aufenthaltsräume schafft. In der Aufteilung des EG unterscheiden sich die Häuser. Das Wohnzimmer Haus West wurde in Richtung Garten platziert - hier ist die Küche auf der Nordseite angeordnet.
Die Küche im Haus Ost liegt dort, wo im Haus West das Wohnzimmer liegt - in Richtung Garten. Auch der Essbereich ist dort angeordnet.
Besonderheit der Küche im Haus Ost ist, dass hier eine alte, weiße Einbauküche, mit neuen, mintfarbenen Elementen kombiniert wurde. Neu und alt fügen sich zu einem harmonischen Ganzen.
Ein besonders schönes Detail der alten Küche ist der mit einer Sprungfeder betriebene Hubschrank für Küchenmaschinen der sich unter einer Klappe der Kochinsel verbirgt. Dieser wurde aufbereitet und in die neue Arbeitsplatte aus massiver Eiche integriert.
Die Küche im Detail. Mit Leinöl gestrichene Fronten, moderne, aber zur alten Küche passende Griffe aus Eiche und in die Front integrierte Steckdosen.
Im Erdgeschoss befindet sich jeweils ein großes Sitzfenster in dem es sich mit Blick Richtung Garten richtig gut abhängen lässt. In der östlichen Haushälfte wurde die Sitzbank natürlich passend aus geölter Fichte gebaut.
Die Zimmer im OG haben aufgrund der Dachform alle eine Häuschenform. Das mittlere Zimmer wird aktuell bei beiden Familien als Ankleide genutzt, kann aber auch als Kinderzimmer verwendet werden.
Im Obergeschoss gibt es auch jeweils ein größeres Zimmer pro Haushälfte. Dieses wurde von der Familie im Haus Ost als Arbeitszimmer eingerichtet.
Im Haus West dagegen befindet sich im großen Zimmer im OG das Schlafzimmer, welches von den Bewohner*innen mit einer Wandtapete gestaltet wurde.
Im Obergeschoss gibt es jeweils ein Duschbad pro Haushälfte. Im Haus Ost wurde auf dem Boden Solnhofener Natursteinfliesen verlegt, die vom IFUB* aus dem abgerissenen Bungalow gerettet wurden. Ergänzt wurde dies mit schlichten weißen Fliesen die mit roten Fugen zu einem besonderen Hingucker werden.
Die Dusche ist in einer Ecke des l-förmigen Duschbads im Obergeschoss untergebracht. Eine Wandnische schafft Platz für Seife und sonstige Duschutensilien.
Im Haus West wurden für das Duschbad von den Bewohner*innen grau marmorierte Fliesen für den Boden, mit pinken Wandfliesen kombiniert. Der große Wandspiegel verlängert das Fenster optisch und bringt noch einmal mehr Helligkeit in den Raum.
Im Untergeschoss befindet sich das Wannenbad mit Blick in den Lichthof. Aus der Badewanne kann man durch das Fenster in den Himmel blicken. Die Bodenfliesen im Haus Ost sind hier ebenso gerettete Terrakottafliesen (erstanden über Kleinanzeigen) im Fischgrätmuster verlegt, wieder kombiniert mit schlichten, weißen Wandfliesen - hier mit mintfarbenen Fugen.
Auch im Haus West wurde das Materialkonzept im UG und OG abgestimmt. Hier wurden im Wannenbad dieselben Bodenfliesen wie im OG mit einer andersfarbigen Wandfliese in orange kombiniert.
Durch den Lichthof konnte im UG neben dem Technikraum und dem Hauwirtschaftsraum ein guter zusätzlicher Aufenthaltsraum entstehen. Dieser kann z.B. als Elternschlafzimmer genutzt werden.
Wenn auch nur punktuell so wurde dennoch an einigen Stellen Materialien aus Reuse oder Restposten vor dem Müll gerettet. Hier der Fliesenboden im Bereich des Eingangs im Haus Ost der auf das neue Eichenparkett trifft.