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F64 Architekten und Stadtplaner

Berufliches Schulzentrum Kempten, FOSBOS

Erweiterung, Umbau und Generalsanierung Fachoberschule und Berufsoberschule (FOSBOS), Berufliches Schulzentrum Kempten
Rainer Retzlaff, Niedersonthofen
Rainer Retzlaff, Niedersonthofen
Ort
Kempten (Allgäu)
Gebäudekategorie
Schulen
Bauvorhaben
Erweiterung
Jahr der Fertigstellung
2022
Material Fassade
Keramik
Ausgangslage

Seit Jahren herrscht Platzmangel an der Berufs- und Fachoberschule Kempten. Die Schüler wandeln zwischen verschiedenen Gebäuden hin und her, es fehlt an Aufenthaltsmöglichkeiten und auch die Verwaltung und die Lehrerschaft agieren auf beengtem Raum. Mit einem Neubau entlang der Kotterner Straße werden diese Probleme der Vergangenheit angehören. Der bestehende „Rundbau“ aus den 90er Jahren war für 600 Schüler geplant. Zu Spitzenzeiten waren es an der Schule aber 1.200 Schüler, die nicht nur im Berufsschulgebäude, sondern auch in anderen Gebäuden untergebracht waren. In den letzten Jahren hat sich die Schülerzahl bei ca. 900 eingependelt.

Der Zweckverband Berufliches Schulzentrum Kempten plant nun eine Erweiterung für die FOSBOS in Kempten, um den Flächenbedarf zu decken. Alle Raumfunktionen, die bislang zum Teil in die benachbarten Berufsschulen ausgelagert wurden, werden neu geordnet. Ein Kerngedanke für die Neubauplanung ist die Schaffung eines Campus, welcher schulübergreifend die Arealgestaltung von FOSBOS und den drei Berufsschulen, der Wirtschaftsschule und der Technikerschule Allgäu (TSA) bestimmen soll. Um dennoch für die Schulfamilie der FOSBOS eine Übersichtlichkeit, ein Zugehörigkeits-gefühl und eine Identifizierung mit dem Schulleitbild zu ermöglichen, ist das Ziel Einhäusigkeit der FOSBOS ein wesentlicher Leitgedanke. Um dieses Ziel zu realisieren ist eine Erweiterung des Gebäudes auf dem bestehenden Gelände sowie der Umbau des bestehenden Rundbaus im ersten Bauabschnitt der Gesamtmaßnahme „Erweiterung, Umbau und Generalsanierung des Beruflichen Schulzentrums Kempten (BSZ)“ geplant.

Städtebauliche Bestandssituation

Das Quartier des beruflichen Schulzentrums wurde auf den ehemaligen Gleisanlagen nach dem Abbruch des Kemptener Kopfbahnhofes errichtet. Der Schulkomplex Berufsschulzentrum Kempten wurde in mehreren Bauphasen zwischen 1978 und 1999 fertiggestellt.

Zum Campus gehören:

die Berufsschule I mit der Ausbildung für gewerblich-technische Berufe (GTS) und der Technikerschule Allgäu
die Berufsschule II für kaufmännische Berufe und Berufe des Gesundheitswesens (KBS) mit der Wirtschaftsschule
die Berufsschule III für hauswirtschaftliche und landwirtschaftliche Berufe (HLS), der Berufsfachschule für Kinderpflege und der Berufsfachschule für Sozialpflege
östlich auf dem Campus befinden sich die Fachoberschule (FOS) und die Berufsoberschule (BOS) gemeinsam in dem sogenannten Rundbau
auf dem südlichen Grundstücksteil gibt es außerdem drei Hausmeisterhäuser und eine 3-fach Turnhalle
in direkter Nachbarschaft liegt das Berufsbildungs- und Technologiezentrum der Handwerkskammer Schwaben (BTZ)


Städtebaulich und gestalterisch hat sich das gesamte Areal trotz Architekturwettbewerb, Masterplanung und Bebauungsplan seit den achtziger Jahren recht inhomogen entwickelt. Das Ensemble der Berufsschulen mit seinen qualitätsvollen, aber sanierungsbedürftigen Ziegelbauten wurde mit dem wellblechverkleideten Rundbau der FOSBOS und dem verputzen BTZ der Handwerkskammer Schwaben weiterentwickelt.

Der städtebauliche Entwurfsansatz eines langgestreckten Erweiterungsbaus mit punktueller Verbindung zum zentralen Rundbau hat das Ziel, dem Campus einen „Halt“ zur mittlerweile sehr stark frequentierten Kotterner Straße zu geben und dadurch die Stadt- und freiräumlichen Qualitäten des Campus und der Freiflächen zu stärken. Die bestehenden Freianlagen rund um die Berufsschulen mit ihrer parkähnlichen Wirkung finden bislang mit dem bestehenden Parkplatz entlang der Kotterner Straße keinen adäquaten Abschluss.

Durch ein zusätzliches Angebot überdachter Stellplätze in der Tiefgarage kann der Kfz-Verkehr auf dem Campus gebündelt und reduziert werden.


Pädagogische Anforderungen und Ziele an das Planungskonzept
Das pädagogische Raumfunktionsbuch und das zugehörige Raumkonzept wurde vom Büro LernLandSchaft (LLS) gemeinsam mit der FOSBOS Leitung erstellt und ordnet die Jahrgangsstufen und die Fachräume zu Clustern zusammen. Finalisiert wurde das Raumprogramm von F64 Architekten in Abstimmung mit der Regierung von Schwaben. Das entwickelte innere Raumsystem für die FOSBOS, einer Schulart, die im Wesentlichen auf junge Erwachsene zugeschnitten ist, basiert auf einem komprimierten Clustergedanken für konzentriertes Lernen. In dem bestehenden Rundbau - mit den bekannten quantitativen Raumdefiziten für Klassenräume - werden übergeordnete Funktionsbereiche mit räumlich-funktionaler Anbindung an den Campus verlagert, die zudem für das Raumsystem adäquater sind. Es entsteht für die FOSBOS in ihrer Gesamtheit ein maßgeschneidertes Konzept, das neben den funktionalen und wirtschaftlichen Aspekten auch eine dem Quartier angemessene Architektursprache findet. Der „Neubau der Staatlichen Fachoberschule und Berufsoberschule FOSBOS Kempten“ bietet die Chance die Bedingungen für eine erfolgreiche schulische und berufliche Bildung zu schaffen. Dieses Konzept wird den vielfältigen Anforderungen gerecht und hilft, die Zielsetzungen einer umfassenden Studien- und Berufskompetenz in der Stadt Kempten und im Einzugsgebiet umzusetzen.

Eine maßgebliche Bedeutung kommt hier sowohl den Größenanforderungen als auch der außen- und innenarchitektonischen Gestaltung zu. Die Mitglieder der Schulfamilie ergreifen gerne die Möglichkeit, pädagogische Ideen, Ziele und Anforderungen zu formulieren, von denen die künftige architektonische Gestalt der Schule geprägt sein soll. Dies geschieht auf der Grundlage der Bildungsziele der Bayerischen Verfassung und des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes, die in den Lehrplänen für Fachoberschulen und Berufsoberschulen in Bayern konkretisiert werden.

„Die {…} Cluster der verschiedenen Kernlernbereiche dienen als Grundlage für eine strukturelle Gliederung der Gebäude und der einzelnen Nutzungseinheiten. Die in den Lehrplaninhalten gegebenen Schnittbereiche sollen räumlichen Niederschlag finden, beispielsweise durch die Verzahnung von Theorie und Praxis mit entsprechender Schülerselbsttätigkeit, um den Rahmen für eine ganzheitliche Kompetenzentwicklung zu schaffen. Die Verbindung von allgemeinbildendem Unterricht und praktischen Anwendungen, die Interaktion zwischen Fachbereichen und die erfolgreiche Zusammenarbeit mit externen Partnern sowie eine schnelle situationsbedingte Anpassung von Lerngruppen und Arbeitshaltungen sollen unkompliziert umsetzbar sein.“ (Auszug aus pädagogischem Raumfunktionsbuch, LLS)

Bei der Planung von Erweiterung und Umbau wurden verschiedene Zielsetzungen formuliert. Das pädagogische Leitbild der FOSBOS Kempten stellt die Schüler und den Unterricht in den Mittelpunkt:

Leitbild: „Unsere Schule versteht sich als Teil der Gesellschaft und damit als ein aktives Bindeglied zwischen Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern, Eltern, regionaler Wirtschaft, sozialen Einrichtungen, Hochschulen und anderen Schulen.“
Miteinander Leben: „Die Schule soll nicht nur Lernort, sondern durch Erfahren von Gemeinschaft kreativer Lebensraum für unsere Schulfamilie sein.“
Miteinander Arbeiten: „Eine gute Arbeitsatmosphäre in der Schule schaffen wir durch gegenseitigen Respekt, Offenheit und Vertrauen. Durch Kommunikation über Inhalte, Methoden und Probleme erreichen wir gemeinsame Ziele.“
Bildung: „Wir streben als oberstes Bildungsziel eine Allgemeinbildung der Schülerinnen und Schüler an, die über reines Anwendungswissen hinausgeht. Dazu gehören die Vermittlung von Werten sowie die Persönlichkeitsbildung (Offenheit, Selbstvertrauen, Kritikfähigkeit, Zivilcourage, Verantwortungsbewusstsein, Leistungsbereitschaft).“
Schüler- und lehrergerechte Arbeitsbedingungen: „Wir möchten ein positives Lernumfeld schaffen, in dem alle Beteiligten miteinander optimal, effektiv und mit Freude arbeiten können.“
Freiraum: „Die pädagogische Verantwortung liegt bei der Lehrkraft. Zu deren Erfüllung braucht sie Freiräume.“
Um auf vielfältige gesellschaftliche Entwicklungen zu reagieren und neuen Bildungsanforderungen gerecht zu werden, spielt die systematische, zielgerichtete Entwicklung der FOSBOS Kempten eine zentrale Rolle. Der Fokus liegt dabei in der Förderung der Lernmotivation, des eigenverantwortlichen Lernens, der sprachlichen Kompetenz und eine stärkere Einbindung der Eltern bzw. Erziehungsberechtigten.

Weiterhin soll sich nach den Zielvorstellungen die energetische Optimierung des Gebäudes ökologisch als auch ökonomisch am Optimum ausrichten. Die Gebäudearchitektur im Sinne nachhaltiger Entwicklung unterstützt das pädagogische Ziel, die Schüler zur umweltbewussten, verantwortungsvollen Mitgestaltung von Beruf und Gesellschaft zu befähigen. Über eine energiesparende Bauweise hinaus soll eine Lernumgebung im Einklang mit natürlichen Umweltfaktoren wie Licht und Materialien geschaffen werden.

Um den ökonomischen und wirtschaftlichen Zielsetzungen gerecht zu werden, soll eine optimale Raumnutzung innerhalb des Schulgebäudes möglich werden. Reine Erschließungsflächen wie Flure und Treppenhäuser sollen - soweit möglich - zugunsten der pädagogischen Nutzflächen (Klassen, Fach- und Verwaltungsräume) verkleinert werden.

Die Werte der FOSBOS Kempten müssen sich in der Architektur und Raumgestaltung widerspiegeln. Ökologische und ökonomische Optimierungsmaßnahmen müssen daher immer an diesen Zielsetzungen gemessen werden.


Planerische Anforderungen und Umsetzung im Entwurfskonzept – neues Lernen und Lehren in neuen Räumen

Schüler, Lehrkräfte, Verwaltungspersonal, aber auch Eltern und Gäste werden viel Zeit in der neuen FOSBOS Kempten verbringen. Über einen langen Zeitraum stellt sie somit einen großen Teil des Lebensraumes dar. Die Schule soll ein Ort des Lernens und der persönlichen Weiterentwicklung sein, an dem man sich wohlfühlt. Die passende Lernumgebung ist hierbei ein wichtiger Beitrag um Lernprozesse, interdisziplinärer Begegnungen und Kooperation zu fördern.

Der Neubau und nach Möglichkeit der Bestandsbau müssen sich anlog zu Studium und Berufsbildern verändern, an schulischen Bildungsanforderungen anpassen können und somit eine möglichst große Flexibilität hinsichtlich der Rau