Ulrike Brandi Licht
Interview mit der Lichtplanerin Ulrike Brandi über das Licht in der Elbphilharmonie Hamburg
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06.12.2023
Die Elbphilharmonie in Hamburg ist nicht nur herausragende Architektur, sondern auch ein komplexes Lichtkunstwerk. Es verbindet Poesie und Glamour mit handfestem Pragmatismus. Verantwortlich für das Konzept ist die Hamburger Lichtplanerin Ulrike Brandi.
Frage: Die Elbphilharmonie und ihr Licht nimmt man zunächst von außen war. Sie reflektiert das Tageslicht in mannigfaltiger Weise.
Ulrike Brandi: Ja, der Platz für die Elbphilharmonie ist einzigartig auch in Hinblick auf die Lichtverhältnisse. Man hat den weiten Himmel, das Wasser mit seinen Lichtreflektionen und vor allem die Beziehung zum Sonnenuntergang im Westen. Mit der Fassade ist den Architekten etwas Außerordentliches gelungen. Aus jedem Blickwinkel kann man neue und aufregende Lichteffekte entdecken.
Gibt es einen Grundgedanken für das Lichtdesign?
Ja. Erstens sind wir davon ausgegangen, dass die Architektur der Elbphilharmonie stark genug ist. Deshalb wollten wir mit dem Licht kein Nebenspektakel eröffnen. Es ist dienend und zurückhaltend und arbeitet mit einfachen optischen Prinzipen.
Wichtig ist außerdem, dass stets der Kontakt von Innen und Außen gewahrt bleibt. Himmel, Wasser und das Panorama der Stadt sollen auch von Innen erlebbar sein. Das heißt, dort darf es nicht zu hell sein:
Die Elbphilharmonie wird abends nicht angestrahlt. Warum haben Sie sich dagegen
entschieden?
Zum einen gibt es in der HafenCity genug Streulicht aus der Umgebung. Sie ist also auch nachts immer sichtbar. Sogar der Sockel, der ja nur mit kleinen Fenstern versehen ist und von Innen kaum Licht abgibt. Zum anderen gibt es das Bundesemissionsschutzgesetz, das sich auch auf Lichtverschmutzung bezieht. Die HafenCity ist Wohngebiet und wir mussten streng prüfen, wie viel Licht die Elbphilharmonie abgibt. Das galt auch für den oberen Teil, der so gestaltet werden musste, dass er die unmittelbare Umgebung nicht überblendet.
Was wird man abends und nachts von der Elbphilharmonie sehen?
Ein Faktor sind die langen Dämmerungszeiten, die wir in unseren Breiten haben. Wir haben im Sommer eine Phase von mindestens eineinhalb Stunden, in denen sich das Licht von Minute zu Minute ändert. In dieser Zeit beginnt ein Zwiegespräch zwischen Tageslicht und Kunstlicht bis am Ende das Kunstlicht überwiegt. Es entstehen vielfältige Effekte aus den Lichtbrechungen, dem Spiel von beleuchteten und unbeleuchteten Fenstern und der gerasterten Bedruckung der Fassade. Besondere Akzente setzen der Schlitz zwischen dem Kaispeicher und dem Neubau und die großen Bögen, die in die Fassade hineingeschnitten sind. Die hohen Bögen sorgen nicht nur für Akzente nach außen sondern tragen Tageslicht auch tief in das Gebäude hinein.
Der Besucherweg beginnt nach einem Foyer mit einer Rolltreppe, die durch einen 80 Meter langen Tunnel nach oben führt. Bekommt man da keine Beklemmungen?
Nein, im Gegenteil. Die Rolltreppe ist nicht linear, sondern leicht gebogen. Die geschwungene Aufwärtsbewegung ist ein besonderes Erlebnis und das Licht im Tunnel ist feierlich. Es wird von den Wänden und der Decke in den Raum reflektiert, wobei glänzende Punkte im matten Putz für Effekte sorgen. Sie schillern wie Pailletten auf Abendkleidern und bilden so den Auftakt für einen festlichen Abend. Eine Besonderheit ist, dass die Leuchten unten angebracht sind, verdeckt seitlich neben den Treppen. Das sorgt nicht nur für wunderbares indirektes Licht sondern ist auch wichtig für die spätere Wartung. In dem Tunnel können schwerlich Leitern oder Gerüste aufgestellt werden. Also ist der Boden eine gute Position für die Leuchten.
Nach dem Tunnel betritt man die Plaza, die man ja schon von unten gesehen hatte.
Wie erlebt der Besucher das Licht hier?
Wichtig war uns, wie gesagt, dass das Licht nicht so hell ist, dass der Blick nach draußen versperrt wird. Der Ausblick ist eine der wichtigsten Funktionen dieser Plaza. Das Kunstlicht kommt hier von der Decke. Die reflektiert das Licht aus kugelförmigen Leuchten flächig, aber es gibt Zonen unterschiedlicher Lichtintensität, wie an einem bewölkten Himmel. Die runden Leuchten findet man überall im Haus, sie werden aber jeweils unterschiedlich eingesetzt. Mal zu Rhomben gruppiert, mal „zufällig“ über Flächen verteilt. Sie sind so etwas wie ein musikalisches Grundmotiv, das sich in Variationen immer wiederholt. So entsteht Harmonie, ohne dass es langweilig wird.
Danach betritt man das Foyer. Was für eine Lichtstimmung erwartet einen hier?
Das Foyer legt sich wie ein Ring um den großen Konzertsaal herum. Seine gewölbte Form ist im Foyer gut ablesbar. Von hier gehen lineare LED an der Decke strahlenförmig aus, eine symbolisch aufgeladene Positionierung, die ein besonderer Wunsch der Architekten war: der Saal als strahlende Mitte des gesamten Gebäudes.
Sie haben ja auch die Leuchten für die Elbphilharmonie entworfen. Wie viele wurden installiert?
Es wurden nach unseren Plänen über 3400 Leuchten installiert. Speziell für das Projekt entworfen und hergestellt sind die 750 Glaskugelleuchten auf der Plaza, 750 lineare Leuchten für das Foyer sowie 650 mundgeblasene Glaskugelleuchten für den großen Saal.
An manchen Stellen kann man auch nach draußen schauen. Warum sind die Fenster
so verpixelt?
Das dient dem Sonnenschutz. Anders als bei dem üblichen Sonnenschutzglas wird das Licht hier nicht über die gesamte Fensterfläche gleichmäßig gefiltert. Je weiter am Rand, desto dichter werden die Punkte, in der Mitte ist der Blick frei. Das Filterergebnis ist identisch wie bei einer gleichmäßigen Beschichtung, nur viel interessanter. Die Punkte sind nach außen silbrig beschichtet, damit sie reflektieren. Auf einer anderen Schicht gibt es Punkte nach innen, die sind schwarz damit sie nicht reflektieren. Man soll ja noch rausgucken können. Das ist wirklich sehr ausgeklügelt und man hat zugleich wieder dieses Paillettenmotiv, das schon im Tunnel und bei den Kugellampen zu finden ist.
Was ist Ihr Licht-Konzept für den großen Konzertsaal, das Herz der Elbphilharmonie?
Unser Anliegen war es, die Erhabenheit des Raums zur Geltung zu bringen. Ich bin sicher, dass der Saal genau wie die Fassade ein erstrangiges Fotomotiv für die Besucher wird. Der Raum ist sehr hoch und die Ränge steil, dazu die gewellten Formen im Großen wie im Kleinen. Die Beleuchtung ist darauf angelegt, die Terrassierung der Ränge zu unterstreichen. Die Kugelleuchten sind unter deren Decken angebracht, die Brüstungen sind nicht beleuchtet. Alles ist hell, man spürt Weite und kann atmen.
Sehr wichtig für uns war das sogenannte Microshaping, die Oberflächenstruktur der Wände, die für die Akustik unregelmäßig und wellenförmig angelegt wurde. Das ist sehr lebendig und bringt mich zum Schwärmen. Das Licht mit seinen vielen kleinen Lichtpunkten betont diese spielerischen, interessanten Effekte. Wenn wir großflächige Leuchten eingesetzt hätten, wäre das alles flach und matschig geworden.
Wie sind Sie mit dem großen akustischen Reflektor an der Decke umgegangen?
Der Trichter ist ein prägendes Element für den Raum. Wir haben auf seiner Oberseite Lichter gesetzt, die das Gewölbe darüber anstrahlen, sonst hätte man da ein dunkles Loch gehabt. Auf seiner Unterseite ist Bühnenlicht angebracht. Ein weiterer Teil des Bühnenlichtes kommt aus einem Schlitz in der Decke, da sind die Scheinwerfer nicht so zu sehen. Die Orchestermusiker brauchen bis zu tausend Lux, um ihre Noten lesen zu können. Wenn das Saal-Licht dann zum Konzertbeginn runtergedimmt wird, ist nur noch die Bühne beleuchtet. Und man sieht die Sicherheitsbeleuchtung für die Treppen, die ein feines, grafisches Muster im Raum zeichnet. Ich freue mich schon sehr auf den Moment, wenn die Musik in diesem Saal zum ersten Mal ertönt.
Interviewer: Christian Tröster
Frage: Die Elbphilharmonie und ihr Licht nimmt man zunächst von außen war. Sie reflektiert das Tageslicht in mannigfaltiger Weise.
Ulrike Brandi: Ja, der Platz für die Elbphilharmonie ist einzigartig auch in Hinblick auf die Lichtverhältnisse. Man hat den weiten Himmel, das Wasser mit seinen Lichtreflektionen und vor allem die Beziehung zum Sonnenuntergang im Westen. Mit der Fassade ist den Architekten etwas Außerordentliches gelungen. Aus jedem Blickwinkel kann man neue und aufregende Lichteffekte entdecken.
Gibt es einen Grundgedanken für das Lichtdesign?
Ja. Erstens sind wir davon ausgegangen, dass die Architektur der Elbphilharmonie stark genug ist. Deshalb wollten wir mit dem Licht kein Nebenspektakel eröffnen. Es ist dienend und zurückhaltend und arbeitet mit einfachen optischen Prinzipen.
Wichtig ist außerdem, dass stets der Kontakt von Innen und Außen gewahrt bleibt. Himmel, Wasser und das Panorama der Stadt sollen auch von Innen erlebbar sein. Das heißt, dort darf es nicht zu hell sein:
Die Elbphilharmonie wird abends nicht angestrahlt. Warum haben Sie sich dagegen
entschieden?
Zum einen gibt es in der HafenCity genug Streulicht aus der Umgebung. Sie ist also auch nachts immer sichtbar. Sogar der Sockel, der ja nur mit kleinen Fenstern versehen ist und von Innen kaum Licht abgibt. Zum anderen gibt es das Bundesemissionsschutzgesetz, das sich auch auf Lichtverschmutzung bezieht. Die HafenCity ist Wohngebiet und wir mussten streng prüfen, wie viel Licht die Elbphilharmonie abgibt. Das galt auch für den oberen Teil, der so gestaltet werden musste, dass er die unmittelbare Umgebung nicht überblendet.
Was wird man abends und nachts von der Elbphilharmonie sehen?
Ein Faktor sind die langen Dämmerungszeiten, die wir in unseren Breiten haben. Wir haben im Sommer eine Phase von mindestens eineinhalb Stunden, in denen sich das Licht von Minute zu Minute ändert. In dieser Zeit beginnt ein Zwiegespräch zwischen Tageslicht und Kunstlicht bis am Ende das Kunstlicht überwiegt. Es entstehen vielfältige Effekte aus den Lichtbrechungen, dem Spiel von beleuchteten und unbeleuchteten Fenstern und der gerasterten Bedruckung der Fassade. Besondere Akzente setzen der Schlitz zwischen dem Kaispeicher und dem Neubau und die großen Bögen, die in die Fassade hineingeschnitten sind. Die hohen Bögen sorgen nicht nur für Akzente nach außen sondern tragen Tageslicht auch tief in das Gebäude hinein.
Der Besucherweg beginnt nach einem Foyer mit einer Rolltreppe, die durch einen 80 Meter langen Tunnel nach oben führt. Bekommt man da keine Beklemmungen?
Nein, im Gegenteil. Die Rolltreppe ist nicht linear, sondern leicht gebogen. Die geschwungene Aufwärtsbewegung ist ein besonderes Erlebnis und das Licht im Tunnel ist feierlich. Es wird von den Wänden und der Decke in den Raum reflektiert, wobei glänzende Punkte im matten Putz für Effekte sorgen. Sie schillern wie Pailletten auf Abendkleidern und bilden so den Auftakt für einen festlichen Abend. Eine Besonderheit ist, dass die Leuchten unten angebracht sind, verdeckt seitlich neben den Treppen. Das sorgt nicht nur für wunderbares indirektes Licht sondern ist auch wichtig für die spätere Wartung. In dem Tunnel können schwerlich Leitern oder Gerüste aufgestellt werden. Also ist der Boden eine gute Position für die Leuchten.
Nach dem Tunnel betritt man die Plaza, die man ja schon von unten gesehen hatte.
Wie erlebt der Besucher das Licht hier?
Wichtig war uns, wie gesagt, dass das Licht nicht so hell ist, dass der Blick nach draußen versperrt wird. Der Ausblick ist eine der wichtigsten Funktionen dieser Plaza. Das Kunstlicht kommt hier von der Decke. Die reflektiert das Licht aus kugelförmigen Leuchten flächig, aber es gibt Zonen unterschiedlicher Lichtintensität, wie an einem bewölkten Himmel. Die runden Leuchten findet man überall im Haus, sie werden aber jeweils unterschiedlich eingesetzt. Mal zu Rhomben gruppiert, mal „zufällig“ über Flächen verteilt. Sie sind so etwas wie ein musikalisches Grundmotiv, das sich in Variationen immer wiederholt. So entsteht Harmonie, ohne dass es langweilig wird.
Danach betritt man das Foyer. Was für eine Lichtstimmung erwartet einen hier?
Das Foyer legt sich wie ein Ring um den großen Konzertsaal herum. Seine gewölbte Form ist im Foyer gut ablesbar. Von hier gehen lineare LED an der Decke strahlenförmig aus, eine symbolisch aufgeladene Positionierung, die ein besonderer Wunsch der Architekten war: der Saal als strahlende Mitte des gesamten Gebäudes.
Sie haben ja auch die Leuchten für die Elbphilharmonie entworfen. Wie viele wurden installiert?
Es wurden nach unseren Plänen über 3400 Leuchten installiert. Speziell für das Projekt entworfen und hergestellt sind die 750 Glaskugelleuchten auf der Plaza, 750 lineare Leuchten für das Foyer sowie 650 mundgeblasene Glaskugelleuchten für den großen Saal.
An manchen Stellen kann man auch nach draußen schauen. Warum sind die Fenster
so verpixelt?
Das dient dem Sonnenschutz. Anders als bei dem üblichen Sonnenschutzglas wird das Licht hier nicht über die gesamte Fensterfläche gleichmäßig gefiltert. Je weiter am Rand, desto dichter werden die Punkte, in der Mitte ist der Blick frei. Das Filterergebnis ist identisch wie bei einer gleichmäßigen Beschichtung, nur viel interessanter. Die Punkte sind nach außen silbrig beschichtet, damit sie reflektieren. Auf einer anderen Schicht gibt es Punkte nach innen, die sind schwarz damit sie nicht reflektieren. Man soll ja noch rausgucken können. Das ist wirklich sehr ausgeklügelt und man hat zugleich wieder dieses Paillettenmotiv, das schon im Tunnel und bei den Kugellampen zu finden ist.
Was ist Ihr Licht-Konzept für den großen Konzertsaal, das Herz der Elbphilharmonie?
Unser Anliegen war es, die Erhabenheit des Raums zur Geltung zu bringen. Ich bin sicher, dass der Saal genau wie die Fassade ein erstrangiges Fotomotiv für die Besucher wird. Der Raum ist sehr hoch und die Ränge steil, dazu die gewellten Formen im Großen wie im Kleinen. Die Beleuchtung ist darauf angelegt, die Terrassierung der Ränge zu unterstreichen. Die Kugelleuchten sind unter deren Decken angebracht, die Brüstungen sind nicht beleuchtet. Alles ist hell, man spürt Weite und kann atmen.
Sehr wichtig für uns war das sogenannte Microshaping, die Oberflächenstruktur der Wände, die für die Akustik unregelmäßig und wellenförmig angelegt wurde. Das ist sehr lebendig und bringt mich zum Schwärmen. Das Licht mit seinen vielen kleinen Lichtpunkten betont diese spielerischen, interessanten Effekte. Wenn wir großflächige Leuchten eingesetzt hätten, wäre das alles flach und matschig geworden.
Wie sind Sie mit dem großen akustischen Reflektor an der Decke umgegangen?
Der Trichter ist ein prägendes Element für den Raum. Wir haben auf seiner Oberseite Lichter gesetzt, die das Gewölbe darüber anstrahlen, sonst hätte man da ein dunkles Loch gehabt. Auf seiner Unterseite ist Bühnenlicht angebracht. Ein weiterer Teil des Bühnenlichtes kommt aus einem Schlitz in der Decke, da sind die Scheinwerfer nicht so zu sehen. Die Orchestermusiker brauchen bis zu tausend Lux, um ihre Noten lesen zu können. Wenn das Saal-Licht dann zum Konzertbeginn runtergedimmt wird, ist nur noch die Bühne beleuchtet. Und man sieht die Sicherheitsbeleuchtung für die Treppen, die ein feines, grafisches Muster im Raum zeichnet. Ich freue mich schon sehr auf den Moment, wenn die Musik in diesem Saal zum ersten Mal ertönt.
Interviewer: Christian Tröster