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KPW Papay Warncke Vagt Architekten

Hessisches Landesmuseum, Darmstadt - 1. Preis

News
31.12.2014
1. Preis, Hochbaulicher Realisierungswettbewerb, 2004
Das Hessische Landesmuseum ist weit über die Bundesgrenzen hinaus bekannt, nicht nur wegen seines weltweit größten, zusammenhängenden Werkkomplexes von Joseph Beuys, dem sog. ‘ Block Beuys’, ergänzt durch Werke des Beuys Schülers Blinky Palermo und Dauerleihgaben der Dia Art Foundation New York, sondern auch wegen seiner umfangreichen Pop-Art Sammlung des Darmstätder Industriellen Ströher, ganz abgesehen von den reichen Schätzen aus den Sammlungen von Großherzog Ludwig I. Denn eigentlich ist der stolze Altbau des Architekten Alfred Messel, ein gebürtiger Darmstädter, der durch den Bau des Berliner Warenhauses Wertheim bekannt geworden war, ein Universalmuseum: Kultur und naturgeschichtliche Sammlungen beispielsweise, mit den noch heute existierenden , tiergeographischen Dioramen, die geologisch- paläontologische Sammlung von Funden aus der Grube Messel, eine reichhaltige Korallen - und Molluskensammlung, die Jugendstilkollektion des Amsterdamer Juweliers Carel Citroen und bedeutende Sammlungen von Werken Arnold Boecklins, Rembrandts und Albrecht Dürers, um nur die ganz großen Namen zu nennen. An der Grenze von der Stadt zum Park, dem sog. Herrengraben gelegen, wurde der Messelbau in den 80-er Jahren mit einem Anbau ergänzt, der mittlerweile seine Zeit überlebt hat.

50 internationale Architekturbüros hatten Gelegenheit, an der 1. Wettbewerbsphase teilzunehmen und wir konnten mit unserem Beitrag, der als nahezu einziger einen solitären Baukörper auf der Westseite mit unterirdischem Verbindungstrakt vorsieht, den 1. Preis erringen.

Zweierlei schien uns besonders wichtig: Erstens den Messel-Bau von seinen Anbauten zu befreien, indem wir ihm einen zweiten Solitär quasi als Dialog-Partner zur Seite stellen und zweitens mit dem geschaffenen Freiraum zwischen dem ‘altsprachlichen und dem neusprachlichen Kunstgehäuse’ der Stadt die Achse zum Park wiederzugeben.

Bei der Gegenüberstellung von Alt- und Neubau haben wir das Thema von Unterordnung und Selbstbehauptung mit dem gebührenden Respekt vor dem Messel-Bau behandelt, um dem Neubau umso mehr Freiheit zu ermöglichen.

Die Tiefe des alten Museums ergibt die Länge des Neubaus, Die Höhenstaffelung des historischen Baus den Rhythmus von ‘leicht’ und ‘schwer’ unserer Fassade. Im leichten Glasband der Erdgeschoßzone spiegelt sich der schwere Sockelbereich des Altbaus, während unser geschlossener, bronzeverkleideter Mittelteil eine präzise aber gegenläufige Resonanz der prachtvollen Fenster des Gegenübers darstellt. Die beiden unterschiedlich hohen Glas-Aufbauten schließlich liegen annähernd gleichauf mit dem Dach des Nachbarn und damit im Rahmen der Kubatur des Messel-Baus, die wir übernehmen wollten.

In dem Maße wie der Altbau - bereinigt und saniert, seine Souveränität als (wieder) frei stehender, schmuckreicher Solitär erlangt, entfaltet der Neubau seinen Charakter als elegantes, ruhiges Haus für die Moderne, aufsteigend vom Sockelgeschoß für Wechsel-Ausstellungen und Depots über 5 Geschosse, frei und einleuchtender Wegeführung gehorchend, bis zur Gegenwartskunst im gläsernen Obergeschoß, einem einzigen riesigen Raum.

Dieser hat wie alle Räume mehrfach gelenktes, elektronisch gesteuertes Tageslicht, diffus gestreut durch die mehrschichtige Glashülle, während es in den Zwischengeschossen durch Lichtgräben hereingeholt wird. Simulierend und experimentierend ermittelten wir zusammen mit dem Lichtplaner Peter Andres anhand von 1: 20 Modellen unter künstlichen Himmeln die perfekte Beleuchtung zur Farbwiedergabe der Kunstwerke.

Die Frage, wie neutral muss und darf der Hintergrund und die Hülle für die Kunst sein, hat uns während unserer Arbeit immer begleitet: Dienend - in der Sprache der Gegenwart- sind vielleicht die Stichworte, die uns halfen, Richtlinien zu finden für eine adäquate Kunst-Präsentation.

Daten
Bauherr: Hessisches Ministerium der Finanzen und
Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst
Adresse: Friedensplatz1, 64283 Darmstadt
BGF: 24.897 qm
Fertigstellung: 2011
Mitarbeiter: J. Fuhrmann, S. Perry, T. Ockelmann, K. Wiedemann-Arndt, A. Seemann-Odefey, O. Oellrich, S. Biallas, A. Blanc, F. Reifner, D. Günther, T. Wahner, H. Weissbach