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Neubau evangelisches Gemeindehaus Heddesheim

Oli Hege
Oli Hege
Anlass
Durch einen Grundstückstausch mit der politischen Gemeinde und ergab sich die Chance für die ev. Kirchengemeinde Heddesheim, die Flächen und Funktionen in einem neuen Gemeindehaus in unmittelbarer Nachbarschaft zur Kirche zu optimieren.
Zur Entwurfsfindung wurde unter Leitung des Evangelischen Oberkirchenrates Karlsruhe eine Mehrfachbeauftragung mit 6 Architekturbüros durchgeführt, aus dem der Entwurf von motorplan Architekten BDA als Sieger hervor ging.

Situation
Von der Hauptstraße, in diesem Bereich geprägt durch einen Supermarkt und überdimensionierte Wohnbauten der 1970er Jahre, führt ein schmales Grundstück, auf dem zuvor das ehemalige, stark schwammbefallene Pfarrhaus abgerissen wurde, zum Chor des Kirchengebäudes, einem gelben, ziegelgedeckten Sandsteinbau von 1872. Im Gegensatz zur stark überformten Hauptstraße ist im Inneren des Blockes die alte dörfliche Struktur, besonders geprägt durch hölzernen Tabakscheunen mit steilen Satteldächern, noch gut ablesbar, denn Heddesheim war in den 1930er Jahren die größte tabakanbauende Gemeinde Deutschlands.

Anspruch
Die Ansprüche der Kirchengemeinde waren vielfältig. Der Neubau sollte eine enge, möglichst regengeschützte Verbindung zur Kirche und deren barrierefreien Zugang gewährleisten, sich jedoch gleichzeitig zum Ort hin öffnen. Neben dem Gemeindehaus sollte auch die Kirche in der Tiefe des Grundstückes von der Hauptstraße aus präsent sein. Der Wunsch nach Repräsentation auf der einen Seite und Zurückhaltung gegenüber dem Kirchenbau auf der anderen. Das schmale Grundstück sollte neben dem Gemeindehaus einen Vorplatz und einen Festplatz sowie eine öffentliche Durchwegung aufnehmen, gleichzeitig sollte die Privatheit des Kirchgartens erhalten bleiben. Viele, zunächst widersprüchlich scheinende Ansprüche.

Ansatz
Auch wenn die Schließung der Straßenkante städtebaulich zunächst das naheliegendste schien, wurde schnell klar, dass das Potential des Ortes und die gestalterische Antwort im Inneren des Blockes, im Typus der Tabakscheune liegen. Damit war die Grundform, ein langer, giebelständiger Bau senkrecht zur Kirche gesetzt. Als Grenzbebauung blendet dieser einerseits die störende Nachbarbebauung aus, andererseits bleibt genügend Raum für den Festplatz in der Tiefe des Grundstückes. Die Baulücke wird zum Vorplatz, der Neubau öffnet den Raum in die Tiefe des Blockes.

Funktion
Ein über die gesamte Gebäudehöhe reichendes Foyer teilt den Bau funktional in dienende Räume (Richtung Straße) und bediente Räume (Richtung Kirche).
Wichtigster Raum ist der neue Gemeindesaal; die komplette Öffnung der Längsseite mit großen Schiebtüren öffnet diesen zu Außenraum und Kirche; ein langer Rücksprung in der Fassade dient als Wetterschutz und schützt den neuen barrierefreien Zugang zur Kirche über die ehemalige Sakristei. Eine außenliegende Fluchttreppe nimmt Außentoiletten für Festlichkeiten auf und macht als erster Fluchtweg erst die vielfältige Nutzung des Foyers, das mit einer dreiseitigen Galerie im Obergeschoss zu den Mehrzweckräumen überleitet, möglich. Durch großzügige Oberlichter und eingestellte Schrankelemente bleibt der Eindruck des großzügigen Dachraumes trotz der Einteilung in kleinere Einheiten erhalten. Verbindungstüren zwischen allen Räumen ermöglichen den Rundgang im Sinne einer Enfilade und die Bespielung des Gemeindehauses als Ausstellungsgebäude.

Form und Material
Im Sinne der Ensemblewirkung und der Fassung des Festplatzes steht der Neubau im rechten Winkel zu Kirche – als Spiegelung wird dadurch der Kirchenbau gleichsam verlängert und verwebt sich mit dem Neubau. Die Kombination aus rechtem Winkel, schiefwinkligem Grundstück und Satteldach erforderte so jedoch eine fallende Traufe oder einen ansteigenden First; letzterer bietet den Vorteil der größeren Höhe und Repräsentation zur Straße und geringer Höhe und Zurückhaltung gegenüber der Kirche. Während sich der Neubau somit straßenseitig als hoher schmaler scheunenähnlicher Bau zeigt, entwickelt er in der Tiefe des Grundstücks Dynamik und Offenheit. Am Knickpunkt des Grundstückes knickt auch der Baukörper und schafft so die Öffnung Richtung Ort.
Im Grundriss vermittelt das Foyer zwischen den unterschiedlichen Winkeln. Die Wege führen den Nutzer in beiden Geschossen zunächst in die Tiefe des Gebäudes, um die Räume dann aus der Diagonalen mit Blick ins Licht und zur Kirche zu betreten – auch im Inneren bleibt die Kirche allgegenwärtig.
Die Fassade aus eloxierten Aluminiumprofilen in unterschiedlichen Breiten nimmt die Holzlattung der benachbarten Tabakscheunen auf und schafft im Farbton den Bezug zum gelben Sandstein der Kirche. Das Farbspiel des Eloxals erinnert in seiner Nuancierung an die silbergrau verwitterten Holzfassaden.

Einweihung am Erntedankfest
Dass ein Gemeindehaus, das an den Typus Scheune erinnert, am Erntedankfest eingeweiht wurde, erscheint passend; erst im Zuge der Aufarbeitung der Geschichte des Grundstückes anlässlich der Einweihung wurde jedoch ein weiterer Bezug klar: als 1753 dasselbe damals landwirtschaftliche Grundstück schon einmal von der damals „reformierten Gemeinde“ erworben wurde, wurde das bestehende Wohnhaus zum Pfarrhaus, die Scheune jedoch wurde als Kirche genutzt.

Johann Bierkandt / motorplan Architekten BDA


Bauherr: Evangelische Kirchengemeinde Heddesheim,
Beratung: Evangelische Landeskirche Baden, Kirchenbau, Karlsruhe
Architekten: motorplan Architekten BDA Mannheim/ Weimar
Tragwerksplanung: Herzog und Partner, Mannheim
Planung HLS: Ingenieurbüro htp, Weinheim
Planung Elektro: tfi Planungsgesellschaft für Elektrotechnik, Weinheim
Bauphysik: von Rekowski und Partner, Weinheim

Fotos: Oli Hege

Verfahren: Eingeladene Mehrfachbeauftragung mit 6 Architekturbüros
Bauablauf:
Spatenstich: 21.05.2014
Grundsteinlegung: 28.06.2014
Richtfest: 24.10.2014
Einweihung: 04.10.2015

Größe:
Nutzfläche: 487,12 m²
Bruttogeschossfläche: 641 m²
Bruttorauminhalt: 2.728,23 m³