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Touristische Umnutzung der Bergbauregion in Peking-West

Konzeptionelle Planung zur ganzheitlichen Entwicklung des ehemaligen Bergbautals Mentougou und umliegender Gebiete
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Architektenpreis
2022 - Sonderpreis für die Gesamtplanung beim besprochenen Wettbewerb ICONIC Award 2022 - 'Winner' in der Kategorie "(Städtebauliches) Konzept"
Von Bergen und Flüssen zur industriellen Bergbaukultur | Von der Hektik der Stadt zurück in die Ruhe der Wälder
 
Diese synergetische Regional-, Stadt-, Landschafts- und Tourismusplanung im Westen Pekings steht für eine umfassende Tourismusentwicklung. Zusammen mit drei anderen internationalen Konsortien wurde RhineScheme eingeladen, Ideen für die Entwicklung des vernachlässigten industriellen Erbes im bergigen Westen Pekings zu entwickeln, wo in den frühen 1950er Jahren eine Ära des Kohlebergbaus begann. Auf der Grundlage der Bewertung von Experten und von 340.000 Wählern in der öffentlichen Abstimmung wurden RhineScheme und seine Konsortialpartner mit dem "Sonderpreis für die Gesamtplanung" des Projekts ausgezeichnet, das sich über fast hundert Quadratkilometer erstreckt.
 
Schutz und Wiedernutzbarmachung des Natur-Raums mit seinen Dörfern und Landschaften sowie des Kultur-Raums mit dem Erbe der Kohleindustrie standen bei dieser Planung im Vordergrund.
Die Fragestellung lautete: Wie kann dieses Gebiet modernem Leben gerecht werden und zu einem vitalen Träger mit kultureller Konnotation und ökologischem Charme werden?
Ein ganzheitliches Konzept wurde entwickelt, in dem regionale Verbindungen hergestellt werden, mit neuen Funktionen für besiedelte und unbesiedelte Gebiete. Als Vorzeigeprojekt für nachhaltigen Tourismus, einzigartig in China, einzigartig in dieser Größe.
 
Die sich durch das gesamte Tal hindurchziehende alte Bahnlinie und die sich anschließenden Bereiche konzentrieren sich funktional auf "Gastronomie und Beherbergung, Transport und Tourismus, Shopping und Entertainment". Ein umfassendes Dienstleistungssystem wird geschaffen, das Kultur-Tourismus und Öko-Tourismus miteinander verbindet, um unterschiedlichste Reisebedürfnisse zu erfüllen.
Mit einem neuen Panoramazug kann man nicht nur die Landschaft genießen, sondern sich auch auf eine fantastischen Abenteuerfahrt in die Industriekultur vergangener Zeiten begeben.
 
Klassifikation der Landschaft (morphologisch und kulturell):
- Aus der Raumanalyse des gewundenen Tals ergeben sich introvertierte- und extrovertierte Raumtypen.
- Geschichte und Zukunft beeinflussen sich gegenseitig: Die historische Perspektive überlagert zeitgenössische Funktionen und umgekehrt, die Funktionen werden entsprechend transformiert. Basierend auf dem Transformationsmodus, werden künstliche und natürliche Landschaften klassifiziert. Der historische Hintergrund wird respektiert und neue Schichten hinzugefügt.
Auf der Grundlage der natürlichen Topografie wird in dem Gebiet ein Landschafts- und Parksystem aufgebaut, welches das Bergland für die Öffentlichkeit besser zugänglich macht und Kontinuität innerhalb des Geländes realisiert.
Dies wird letztlich auch die schrittweise Entwicklung des Gebietes unterstützen.
 
Bei der Errichtung der 12 Bahnhöfe auf der gesamten Strecke ist der grundlegende Ausgangspunkt die Ausnutzung der lokalen Situation bestehender ehemaliger Bahnhöfe und Entwicklungsschwerpunkte, wobei grundsätzlich Qualitätsverbesserung angestrebt wird, um räumliche Knotenpunkte mit exklusiven Merkmalen erlebbar zu machen und weiterzuentwickeln.
 
01 Der Bahnhof Mentougou wird Ausgangs- und Identifikationspunkt der Verkehrsader durch das Tal sein, indem er die zukünftige Identität der Stadt symbolisch in der Form idealer (Kultur-)Landschaftsformen zeigt.
 
02 Entlang der ‚Menda-Linie‘, am linken Ufer des Yongding-Flusses, befindet sich das alte Dorf Liuliqu innerhalb einer fantastischen Berg-Landschaft. In dem Dorf gibt es viele Denkmäler, darunter: das einzige mit gelber Glasur überdachte Gebäude der Qing-Dynastie in Peking, die Perlenglasur-Fliesenfabrik, die Ziegelbrennerei, das alte Theater und den Tempel des Berggottes. Das tausend Jahre alte Dorf wird durch Anbindung, Erneuerung und Wiederbelebung zu einem Erlebniszentrum der Glasurfliesenkultur und damit eines nationalen kulturellen Erbes.
 
03 In der Wild Creek Station wird eine Reihe von ökologischen Interventionen in die komplexe Bergtopografie integriert. Es entsteht eine ganzheitliche Studienbasis für diesen Landschaftstyp.
 
04 Der Bahnhof Xiehejian bildet den Eingang zur historischen Straße nach Westpeking, um die sich viele Geschichten ranken, die zum Teil wieder erlebbar gemacht werden. Man kann durch das Dorf Shuiyuzui zum Guandi-Tempel und zum Dorf Leek wandern, das Museum der alten Straße und das Niujiao Ling-Tor besichtigen.
 
05 Dingjiatan ist ein schönes ländliches Gebiet am Fuße eines Berges, mit großen Obstgärten und grünem Ackerland, welche sich um die Häuser des Dorfes schmiegen. Die Menda-Linie führt durch das Dorf, und der Yongding-Fluss fließt gemächlich an dem Dorf vorbei.
Das Dorf soll von lokalen Künstlern und Architekten renoviert werden, hochwertige (post-) industrielle und ländliche Ressourcen nutzen, Vergangenheit kenntlich machen und in das Leben integrieren.
 
06 Der Bahnhof Leek-Garden ist reich an lokalen Produkten und Kulturschätzen: raffiniert eingelegte Lauchstangen und andere Delikatessen, historische Sehenswürdigkeiten wie der Tempel des Drachenkönigs und die ehemalige Residenz von Ma Zhiyuan sowie das Tal der Pfirsichblüten. Große Obstanbauflächen mit Pflückgärten befinden ich hier.
Die alte Kultur- bzw. Landnutzung werden im neuen Bahnhofshaus auch architektonisch erlebbar.
 
07 Das Dorf Seshufen liegt am Fuße der Berge, welche nach Westen immer steiler werden, und gliedert sich in mehrere höhengestaffelte, charakteristische Wohngebiete.
Das Dorf zeichnet sich durch rustikale Wohnhäuser aus, die sich in die Umgebung einfügen, sowie durch eine naturbelassene Landschaft, in die nachhaltige landwirtschaftliche Produktion integriert wird. Agrarwissenschaft und -knowhow, Produktverkauf und gastronomische Dienstleistungen werden eingebunden und miteinander verknüpft.
 
08 Wangping Bahnhof und Bergwerk: Zum Schutz historischer Bebauung werden Umfeld und Gebäudehöhen für Neubauten angepasst, Gebäude und Plätze städtebaulich optimiert, um zukunftsweisenden Funktionen besser gerecht werden zu können.
Ein Erlebniszentrum für Industriekultur bildet entlang dieser Station einen thematischen Schwerpunkt und Anziehungspunkt für Besucher aus dem Pekinger Umland.
 
09 Der neue Standort des Bahnhofs Luopoling wird auf der Nordseite des in diesem Bereich angestauten Flusses gewählt und getrennt vom Güterbahnhof der Fongsha-Linie errichtet, um einen komfortablen und zeitgemäßen Bahnhof für Besucher zu schaffen.
Um das Problem des Höhenunterschieds zwischen den Gleisen und der Gemeinde Luopoling zu lösen, wird ein innovativer, mäandrierender Gleisüberweg eingerichtet, der den Besuchern immer neue Blickbeziehungen anbietet. In Luopoling angekommen, eröffnen sich dem Gast reichhaltige Tourismusangebote.
 
10 Datai Bahnhof: Durch gezielte Eingriffe werden Gebäude von minderer Qualität entfernt oder, soweit möglich, umgenutzt. Hierbei wird der Schwerpunkt auf das Thema Sport gelegt. Der Flussraum wird aktiviert, so dass der Eingriff die Entwicklung von sportlichen Aktivitäten und kommerziellen Dienstleistungen unterstützt, ohne den Naturraum Fluss zu beeinträchtigen.
 
11 Der Bahnhof Muchengjian, mit den Bergen als vertikale Dominante im Hintergrund und den Bestandsgebäuden, die sich den Bergen unterordnen, ist Auftakt für ein gehobenes internationales Tourismus-Resort, das die reizvolle Landschaft und die topografischen Vorteile ausnutzt und zur Geltung bringt.
 
12 Ganz im Westen, am Qianjuntai Bahnhof, sehen die Berge majestätischer aus, die Landschaft wirkt ungezähmt und farbenfroh. Das Tal gleicht mehr und mehr einer Schlucht.
Das ruhige alte Dorf Qianjuntai mit seinen Spuren aus der vergangenen Bergbauepoche wird durch den Neubau des Bahnhofs und partielle, behutsame Eingriffe in die umgebenden Landschaft mit neuer Vitalität wiedergeboren.
 
Fazit und Ausblick
Im Zuge der Wiederbelebung des Bergbau-Tals wird ein Dialog zwischen Naturraum, kulturhistorischem Vermächtnis und zeitgenössischem Leben hergestellt.
Um Chinas postuliertes Ziel einer ökologisch orientierten Gesellschaft umzusetzen, muss das Bewusstsein um vorhandene Gewässer und Gebirge und historisches Erbe wachsen, die gemeinsam einen unschätzbarem Wert darstellen.
Gelingt dies, werden nicht nur die natürlichen Werte eines geschützten Gebietes bewahrt und seine Entwicklung gefördert, sondern gleichzeitig das industrielle Erbe der jahrhundertealten Kohleindustrie als ergänzendes Element mit eingebettet.
Für die Bewohner wird so eine neue wirtschaftliche Basis im Bereich des nachhaltigen Tourismus geschaffen.
 
Um die synergetische Entwicklung der Region voranzutreiben, wurde der hier behandelte Wettbewerb für die konzeptionelle Planung zur synergetischen Entwicklung von "einer Linie und vier Bergwerken" sowie der umliegenden Gebiete im Westen Pekings organisiert.
Das hier vorgestellte Konzept erhielt den Sonderpreis für die Gesamtplanung.


Planungsgebiet:             99km2
Planung:                         Sept. 2021 - Jan. 2022
Auslober:                       Regierung des Mentougou-Bezirks | Kommission für Planung und natürliche Ressourcen der Stadt Peking | Beijing Energy Group
Planungskonsortium:    RhineScheme GmbH (Konsortiumsführer) | Tongji University Architectural  Design and Research Institute (Group) Ltd. | Beijing Colliers International   Property Services Co., Ltd.
Design-Team (RS):        Ran Li, Christian Hartmann, Bairu Zhang, Shujun Guo, Qianqian Song, Jinyan Li, Pengyong Li, Michele Morrone, Laura Ruiz Gil.