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HELGA BLOCKSDORF/ARCHITEKTUR

Stallumbau in Rieckshof

© Ruben Beilby
© Ruben Beilby
Ort
Templin
Gebäudekategorie
Ateliers, Studios
Bauvorhaben
Sanierung
Jahr der Fertigstellung
2021
Material Fassade
Putz, Beton
Und diese schiere Unersättlichkeit des fotografischen Auges verändert die Bedingungen, unter denen wir in der Höhle, unserer Welt, eingeschlossen sind.“ 1

Die malerische Alleinlage eines historischen Nebengebäudes und die Rahmenbedingung des kaum vorhandenen Baubudgets provozieren von Anfang an die Abwägung aus Intro- und Extroversion für diesen Umbau. In der Transformation von einem Stall in ein Fotostudio als temporären Arbeitsort verschließt sich der Raum zunächst dem Außen. Er ist ganz auf die Produktion der Bilder vor dem abstrakten Hintergrund einer Hohlkehle konzentriert. Die doppelte Raumhöhe in diesem Bereich lässt den abschweifenden Blick bis unter die geschlossene Dachhaut wandern. Das engmaschige Nagelbinderdach mit 50mm Konstruktionsstärke und ca. 95cm Achsmaß flimmert über dem neuen, rauen Heizestrich des Stallbodens. Die Last der industriellen Dachkonstruktion wird aufgenommen und abgetragen durch einen Ringbalken und einen mittig platzierten Unterzug mit Stützvorlagen aus Stahlbeton. Diese massiven, linearen Bauelemente markieren die Zonierung in das einerseits nach innen gerichtete fotografische Arbeiten links und andererseits in die geselligen Anteile aus Besprechung, Kochen, Duschen und den unter Dach verstecken Umkleidenischen mit vorsichtig angehobenen Gaubenflächen in der rechten Stallhälfte. 

Es braucht einen radikalen Schnitt als eindeutig lesbare Membran zwischen der Introversion des Fotostudios und der gewünschten Extroversion für die wechselnde Gästeschar. Modelle, Fotograf/Fotografin und Team erhalten einen einzigen großzügigen Ausblick in die hügelige Weite der Uckermark. Er liegt achsgenau und in gleicher Abmessung dem Stalltor gegenüber. An dieser Gelenkstelle zu dem nach oben verdichteten Umkleide- und Speicherraum und dem offenen Stallraum unten schreibt sich eine Treppe ein in den Winkel aus Konstruktion und Öffnung. Alle Entwurfsparameter verdichten sich an diesem wesenhaften Punkt entwurfsmethodisch zu einer einzigen seismische Stelle. Konstruktiv rücken die Anforderungen an das Tragwerk, die Bauphysik und die notwendige Treppengeometrie an den Rand des gerade noch Machbaren. Thematisiert wird hier, wie sich die Mittellinie horizontal wie vertikal als Ankerpunkt im offenen Raum zeigt und im Auf- und Abgehen zwischen der engen Struktur des Bestandes oben und dem neuen großzügigen Landschaftsbild unten erfahrbar wird. En passant kann entschieden werden, ob sich ein Nachdenken über Architektur im alltäglichen Gebrauch der Dinge einstellt. 

Eine Justage entsteht noch auf der Baustelle: Das Scheunentor geht auf und die Landschaft steht im Raum. Der Anruf der Bauherr*innen nach dem Diamantschnitt durch die Feldsteinnmauer erwirkt ein Verschieben der Treppe um eine Binderachse, so dass der palladianische Blick frei bleiben kann. Die Architektur agiert im Modus des overdelivering mit einer aufgezogenen dreidimensionalen Akordeonsituation für die Treppe als neues Schultergelenk im Raum, das steigend, sitzend, stehend und liegend in Besitz genommen werden kann. „
If you know where to look, the process of negotiation is made visible through an architectural language of slight offsets between the elements: They work together, but they remain strangers to each other. They complement each other, but they don’t fully fit together. [The author] uses an architectural language that does not fully smooth out the counteracting agendas, but subtly gives them a remaining narrative presence in the space.2

1 Susan Sontag, In Platos Höhle, Fischer, 2018, S.9

2 Matthias Ballestrem, Reformulating without Words, https://ca2re.eu/results/reformulating-without-words/

Architektur
Helga Blocksdorf / Architektur 
Team Samuel Barckhausen, Arne Maxim Koll, Sofia Melliou
Baubeginn September 2019 – Juni 2021
Umbau 194 m2 BGF